Predigt zum Fest der Taufe des Herrn (Mt 3, 13-17)
Das Fest der Taufe des Herrn gibt uns Anlass, einmal über den Sinn und die Bedeutung der Taufe nachzudenken. Die Taufe ist ja das erste und grundlegende Sakrament im Leben des Christen, das Eingangstor zum Christentum.
Es muss uns Sorgen bereiten, dass die Zahl der Taufen bei uns im Land seit Jahren stark rückläufig ist.
Das hat zum einen mit dem dramatischen Geburtenschwund zu tun. (Der renommierte Bonner Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel weist darauf hin, dass sich in Deutschland schon seit vielen Jahrzehnten die Elterngenerationen nicht mehr durch ihre Kindergenerationen ersetzen. Setze sich dieser – in einem schrankenlosen Individualismus gründende – Trend fort, werde das zu einer Selbstzerstörung der Gesellschaft führen, „sei es, weil die Bevölkerungszahl schrumpft und vergreist, sei es, weil immer mehr nicht integrierte Zuwanderer ihre eigenen Identitäten an die Stelle der einheimischen setzen“ [M.Miegel, Das Ende des Individualismus, München 1993, 141]).
Eine andere Ursache für den Rückgang der Taufen liegt in einem gewandelten Verhalten der Eltern. In Großstädten (Berlin, Hamburg, Frankfurt) wird nicht einmal mehr ein Drittel der Kinder getauft. Es bildet sich dort bereits eine „nachchristliche“ bzw. „neuheidnische“ Gesellschaft heraus.
Aber auch dort, wo die Kirchlichkeit noch stärker verwurzelt ist, gibt es wachsende Schwierigkeiten: Wenn zum Beispiel Eltern ohne echte religiöse Motive, nur aus Konvention ihre Kinder zur Taufe bringen; oder wenn in konfessionsverschiedenen Ehen die Taufkonfession des Kindes zum Streitpunkt wird. Manchmal einigen Vater und Mutter sich dann auf den Kompromiss, das Kind gar nicht taufen zu lassen. Und sie begründen das mit dem Argument, das Eltern oft vorbringen, wenn sie ihre Kinder nicht zur Taufe bringen:
„Wir wollen nicht für unsere Kinder entscheiden. Sie sollen später einmal selbst über ihr religiöses Leben entscheiden„.
Was ist dazu zu sagen? Wer sein Kind nicht taufen lässt, trifft natürlich auch eine Entscheidung über das Kind. – Und diese Entscheidung bedeutet zweierlei:
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- Dem Kind wird ein Sakrament vorenthalten und die damit verbundenen Wirkungen
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- Das Kind wird nicht in die Kirche, den Leib Christi, eingegliedert und wächst ohne Einbindung in die Kirche auf, besonders ohne Einbindung in das sakramentale Leben der Kirche (die Hl. Messe)
Ob diese Entscheidung besser für das Wohl des Kindes ist?
Im übrigen wird dem Kind durch den Verzicht auf religiöse Erziehung eine verantwortliche Entscheidung über den Glauben gar nicht möglich gemacht: Wer keine Ahnung vom Glauben hat, kann sich weder dafür noch dagegen entscheiden…
Nun gibt es noch von anderer Seite her Einwände gegen unsere Praxis der Kindertaufe. Freikirchen (etwa die Baptisten) nennen die Kindertaufe ein Unding: Christ werde man durch die bewußte Entscheidung für Jesus Christus, und die sei beim Säugling unmöglich.
Was ist darauf zu erwidern?
Gewiss gehört zum Christsein wesentlich die Entscheidung des Menschen für Gott. Aber noch wichtiger ist etwas anderes: Die Entscheidung Gottes für den Menschen. Die Taufe ist – wie alle Sakramente – primär ein Geschenk Gottes, und zwar ein gänzlich unverdientes Geschenk. Im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ von Katholischer Kirche und Lutherischem Weltbund wurde das Prinzip der Rechtfertigung des Menschen allein aus Gnade, unabhängig von verdienstlichen Werken betont. – Wenn es einen konkreten Ort für das Prinzip Gnade im Christenleben gibt, dann ist es die Säuglingstaufe. Hier wird es manifest, dass Gott Schenkender, der Mensch aber Empfangender ist. – Und da gibt es letztlich keinen Unterschied zwischen Kind und Erwachsenem. – Auch der >entschiedenste Christ< könnte von sich aus keinen Anspruch auf Gotteskindschaft und Ewiges Leben geltend machen…
Was bewirkt nun das Sakrament der Taufe?
Man kann die Taufe eine Adoption durch Gott nennen. Gott nimmt den Menschen – um Jesu Christi willen – an Kindesstatt an. Gott legt seine Hand auf das Menschenkind. Er ruft es bei seinem Namen. Und er drückt ihm seinen Eigentumsstempel auf, ein unauslöschliches Siegel, wie man in der Theologie sagt. Wenn der Mensch sich nicht aus eigenen Stücken wieder von Gott abkehrt, kann keine Macht ihn mehr der Hand Gottes entreissen.
In der Taufe wird somit die erbsündliche Gottferne und Gottverlassenheit des Menschengeschlechts aufgehoben. Und wie bei der Taufe Jesu im Jordan der Heilige Geist herabkam, so ist es auch beim Taufsakrament: Der Heilige Geist, die unsichtbare Kraft Gottes, der Tröster und Beistand, kommt in das Herz des Menschen und macht es bereit für den Glauben. Ein altkirchlicher Name für die Taufe lautet daher „photismos“: Erleuchtung durch den Heiligen Geist.
„Macht alle Menschen zu meinen Jüngern und tauft sie“, lautet der Auftrag des Herrn ( Mt 28,19). – Alle Menschen – das ist eine uneingeschränkte, universale Aussage. Menschen aller Nationen und Rassen, jeden Standes und jeden Alters sollen durch die Taufe Jünger Jesu und Kinder Gottes werden. Gerade die Kleinen möchte Gott sich so zu eigen machen. Sind sie ihm doch vielleicht viel näher als wir – angeblich so gescheiten und aufgeklärten – Erwachsenen. – „Lasst die Kinder zu mir kommen, denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 19,14) – diese Aufforderung Jesu müssen wir sehr ernst nehmen.
Nun ist an der Kritik an unserer Praxis der Kindertaufe freilich auch ein Körnchen Wahrheit: Zum Christsein gehört natürlich auch die Entscheidung und die Entschiedenheit des Christen. Zwar ist die Initiative bei Gott. Gott ruft den Menschen. Dieser Ruf aber wartet auf die Antwort des Menschen. Gott knüpft die Beziehung an, der Mensch aber muss den Faden aufnehmen.
Bei der Taufspendung stehen die Eltern und Paten und die Taufgemeinde und bekennen den Glauben an den dreifaltigen Gott. Stellvertretend für das Kind schliessen sie den Bund mit Gott. Und sie versprechen, ihr Kind im Glauben zu erziehen. Ich bitte die Eltern dabei jedesmal, dieses Versprechen ernst zu nehmen; nicht nur für das materielle Wohl des Kindes zu sorgen, sondern auch für sein geistiges Wohl. (Wichtig ist dabei auch das beständige Gebet für das Kind. Hierin sollten auch die Taufpaten ihre wichtigste Aufgabe sehen.)
Später muss dann das Kind den Taufbund, den die Eltern im Glauben geschlossen haben, selbst „ratifizieren“, sein Ja zu Gott sprechen. (Öffentlich geschieht das bei der Erstkommunion und bei der Firmung.) Der Getaufte muss zum überzeugten, entschiedenen Christen werden; als von Gott Gerufener und Berufener sein Leben führen und Christus nachzufolgen versuchen. Das ist eine lebenslange Aufgabe des Christen. Jeder von uns muss immer wieder neu mit dem Glauben und der Nachfolge Christi ernst machen; muss versuchen, sich des Geschenks des Anfangs, der Taufe, würdig zu erweisen.
Zum Schluss noch ein Wort des Trostes für die Eltern, die sich Sorgen machen um den Weg ihrer Söhne und Töchter, weil deren Glaubensleben erloschen scheint.
Hier darf man wirklich auf Gott vertrauen. Den Lebenskeim des Glaubens hat er den Kindern ein für allemal ins Herz gepflanzt. Dieser Keim mag überwuchert und verschüttet sein. Aber wer weiss, ob sich nicht einmal eine Lebenswende ereignet – vielleicht auch eine schmerzhafte – die plötzlich der Taufgnade wieder zum Durchbruch verhilft. Denken wir an die Geschichte vom Verlorenen Sohn, der den Weg zum Vater doch wieder gefunden hat. Solch eine Wende zum Guten dürfen wir für jeden verlorenen Sohn und jede verlorene Tochter Gottes erhoffen.
Amen.