Auf den Punkt gebracht III: Philosophisches

Die Vernunft ist eben dieses, einzusehen, dass das Endliche nur Schranke ist. Indem wir etwas als Schranke wissen, sind wir schon darüber hinaus. Ich weiß von der Schranke, und eben in diesem Wissen ist die Schranke nur Schranke und bin ich darüber hinaus“. (Hegel, Vorlesungen über Religionsphilosophie, 1. Teil; Lasson 214).

Die hohe Kunst des Verständlichseins

Beherzigenswert ist die Maxime von Papst Johannes XXIII.: „Vereinfache das Komplizierte
und kompliziere nicht das Einfache!“

Eine klare und verständliche Darstellung beweist eine hohe Reflexionsstufe in der Erkenntnis eines Gegenstands und bedeutet zugleich einen Akt der Menschenfreundlichkeit.

C.G. Jung schreibt:

Das Einfache ist immer das Schwierigste. In Wirklichkeit ist Einfachsein höchste Kunst“.

Leider verschanzen sich allzu viele „Gelehrte“ hinter ihrer Fachterminologie, und es trifft ihren ebenso akademischen wie nichtssagenden Jargon das sarkastische Urteil Schopenhauers:

Das Klappern der Mühle höre ich wohl; allein – das Mehl sehe ich nicht…..“

Über die Zeit

Nach der klassischen Definition des Aristoteles ist Zeit zu verstehen als:

„Zahl (= Maß) der Bewegung“.

Die Zeit dokumentiert die Bewegung, d.h.: die unaufhörliche Seinsveränderung der Welt.

„Alles fließt“ – sagt Heraklit.

Alles ist in Bewegung begriffen, im Werden und Vergehen.

Jedes materielle Ding ist der Änderung und Alterung, der Zeitlichkeit unterworfen.
Im chronologischen Zeitmaß, im Pendelschlag der Uhr wird die dauernde Bewegung der Werdewelt abgebildet.

Wir Flüchtigen: Was wir sind, schon sind wirs nicht mehr.
Ein Traum des Schattens: das ist der Mensch.“ (Pindar)

Vgl. Augustinus, Conf. IV, 10:

Alles muß sterben. Was so entsteht und zu sein trachtet, je schneller es seinshungrig wächst, um so mehr eilt es dem Nichtsein entgegen. Das ist das Los der Erdendinge. Nur Teilstücke zu sein hast du ihnen verliehen.“

Conf. I,6:

Denn was soll ich dir anders sagen, Herr, als daß ich nicht weiß, von wo ich hierher gekommen bin, in dies – soll ich sagen – dahinsterbende Leben oder dahinlebende Sterben? Ich weiß es nicht“.

Über den Absolutheitsanspruch der Naturwissenschaften

Die Naturwissenschaften wissen keineswegs überall bescheid; im Gegenteil: gerade für die existentiellen Fragen des Menschen sind sie nicht zuständig.

Rein medizinisch betrachtet ist z.B. der Mensch nichts anderes als eine instabile Wasser-Fett-Eiweißverbindung.

Rein physikalisch betrachtet ist eine Beethoven-Symphonie eine ungleiche Folge akustischer Frequenzen.

Es gilt also Wittgensteins Wort:

Wir fühlen, daß selbst wenn alle möglichen naturwissenschaftlichen Fragen gelöst sind, unsere eigentlichen Lebensprobleme noch überhaupt nicht berührt sind“.

Im übrigen gibt es mittlerweile auch eine „Pathologie der Wissenschaften“ (J. Ratzinger), wenn Wissenschaft zum Irrsinn wird …..

Die zentrale Frage der Gegenwart ist nicht, wie wir die (technischen) Mittel in den Händen des Menschen noch weiter verbessern können, sondern ob wir ihn selbst bessern können …..

Zur Philosophie des kritischen Rationalismus

Hauptthese des kritischen Rationalismus ist die von der Fallibilität der menschlichen Vernunft.

Diese Fehlbarkeit erlaubt nur eine approximative Wahrheitserkenntnis. Wissenschaft kann nicht mehr leisten, als Irrtümer aufzudecken und Widersprüche nachzuweisen (dialektische Falsifikationsmethode). Wahrheiten sind immer nur vorläufig. Dogmatische und ethische Letztbegründungen sind „pseudowissenschaftlich“, weil sie die (mögliche) Falsifikation verweigern. Als „Feinde der offenen Gesellschaft“ (K. Popper) sind alle zu betrachten, die sich zu einer weltanschaulichen oder religiösen Wahrheit bekennen, die sie nicht zur Disposition stellen.

Bewertung:

Offensichtlich ist der Selbstwiderspruch (der dialektische bzw. pragmatische Widerspruch) dieser Philosophie:

Wenn die Vernunft fehlbar, also: alles andere als unbedingt verläßlich und vertrauenswürdig ist, kann dann auf eine solche Basis allein eine Gesellschaft (die „offene“ – d.h. plurale, undogmatische) Gesellschaft gegründet werden? Beweist nicht gerade die Fehlbarkeit der Vernunft, daß sie sich nicht selbst tragen kann und auf Begründungen außerhalb ihrer selbst verwiesen ist?

Auch die vom kritischen Rationalismus propagierte sogenannte „offene Gesellschaft“ ist recht fragwürdig.

Indem sie das religiöse Bekenntnis prinzipiell aus dem „vernünftigen Diskurs“ ausschließt, offenbart sie recht totalitäre Züge.

Analogie ……

…. als Erkenntnisbemühung (Analektik) ist der Versuch, die Wirklichkeit im Ganzen über den Bereich der unmittelbaren Erfahrung hinaus zu erkennen durch die Methode des Analogie-Schlusses.

Prinzip: wie im Kleinen, so im Großen, wie unten, so oben und umgekehrt. Ontologische Grundlage ist die Tatsache der wurzelhaften Verwandtschaft aller Dinge (analogia entis), insofern sie am Sein teilhaben, darum ähnlich in den Grundbestimmungen des Seins (Transzendentalien).

Alles, was ist, ist miteinander verwandt, und diese Verwandtschaft greift über das endliche Sein hinaus ins unendliche Sein.

Der analogische Aufbau der Welt besagt darüberhinaus, daß alles Niedere nach dem Bild eines Höheren geformt ist (im Gegensatz zum Evolutionismus).

Zu Descartes, dem „Vater der Moderne“

Kern seines Denkens ist die transzendentale Erfahrung, die Erfahrung der eigenen Insichständigkeit, Selbstbewußtheit und Subjektivität.

Die transzendentale Erfahrung: ich denke – ich bin hat für Descartes durchaus den Charakter einer mystischen Erfahrung, einer Erleuchtung.

In einer Welt des Chaos und der Glaubenskriege (30-jähriger Krieg!) wird Descartes sich der inneren Welt als der tragenden Basis seiner Existenz bewußt.

Die „reditio in se ipsum“ (Descartes: meditatio) zeigt dem Menschen, daß er nicht bloß in die äußere Welt hineingestellt ist, sondern daß sich das Wesentliche in der inneren Welt abspielt. Dies bringt dem Menschen das Bewußtsein seiner fundamentalen Freiheit und Unabhängigkeit gegenüber allem Äußeren, möglicherweise auch seines unsichtbaren und unsterblichen Wesens, seiner Seele.

Gefahren:

Das Denken allein ist eine sehr schmale Basis der Existenz.
Was ist, wenn ich nicht mehr denken kann?
Ist nur der existente Person, der denkt?
Was ist mit der ganzen nichtdenkenden Wirklichkeit?
Woher bezieht sie ihre Existenzberechtigung? Nur als Material menschlicher Technokratie?
Die Selbsterfahrung darf nicht zum Solipsismus führen; die „Einkehr bei sich selbst“ nicht zur „Verkrümmung in sich selbst“

Für die Christen ist die transzendentale Selbsterfahrung noch nicht alles;
so sehr gilt: „cogito ergo sum“,
so sehr gilt auch: „cogitor ergo sum“ (F. von Baader) – “ ich bin erdacht, darum bin ich“ – das religiöse Kreaturgefühl, das „Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit“ (Schleiermacher).

Die Geschichtstheologie des hl. Augustinus

Geschichte ist mehrdimensional;
Geschichte hat eine transzendente Tiefendimension.
Hinter und in dem äußeren Geschichtsablauf ereignet sich Heilsgeschichte.
Dieses metaphysische Hintergrundgeschehen, der Kampf zwischen Civitas Dei und Civitas Diaboli, ist die eigentliche Geschichte.

Zur Geschichtstheologie der Apokalypse

„Die Prophetie vom Ende scheint zu besagen: daß der Zwiespalt, durch welchen die Geschichte in Gang gekommen ist und der sie vom Grunde her durchwirkt, am Ende eine äußerste Verschärfung erfahren wird, daß demnach das Ende der Zeit einen innerlich wie äußerlich ganz und gar katastrophischen Charakter besitze und daß die Geschichte in ihr Ende münde wie in eine von außen kommende Befreiung (sie kommt aber nicht „von außen“, sondern aus dem innersten Seinsgrund der Schöpfung, welcher freilich ein die Schöpfung absolut transzendierender Seinsgrund ist)“.

Pieper, J., Über das Ende der Zeit. Eine geschichtsphilosophische Betrachtung, München ³1980, 69 f.

Die Urprinzipien der Geschichte
die Liebe Gottes, das Nein zu Gott –
zeugen sich fort;
die Sünde wird groß, breitet sich lawinenartig aus, die Gnade aber kulminiert in Christus, dem Gottmenschen.
Am Ende der Geschichte steigert sich das Böse zum Antichristen auf, der das „Weltgolgotha“ herbeiführt. Auf dieses aber folgt die „Weltauferstehung“ der Neue Himmel und die Neue Erde.

Da wir Heutigen die ersten Menschen sind, die die Apokalypse beherrschen, sind wir auch die ersten, die pausenlos unter ihrer Drohung stehen“.

Günther Anders, zit. bei: Pieper, op. cit., 7.