Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit (Lukas 24, 35-48)
Als Jesus am Anfang seine Jünger berufen hatte, als er mit ihnen durch Galiläa zog, Kranke heilte, predigte, da kündigte er es ihnen mehrfach an, was mit ihm in Jerusalem geschehen wird: „Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf, dort wird der Menschensohn den Hohepriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert. Sie werden ihn zum Tod verurteilen und den Römern übergeben, damit er verspottet, gegeißelt und gekreuzigt wird, aber am dritten Tag wird er auferstehen“ (Mt 20,17-19).
Und jetzt geschieht das Angekündigte. Jesus bleibt nicht im Tod und im Grab, er lebt und er kommt zu seinen Jüngern.
Und die? Freuen die sich, jubeln sie, triumphieren sie?
„Sie erschrecken und haben große Angst, denn sie meinen, einen Geist zu sehen“.
Jesus muss sie fragen: „Was seid ihr so bestürzt? Warum habt ihr solche Zweifel?
Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht.. Ich bin es selbst!“
Sie staunen, heißt es, können es aber immer noch nicht fassen. Da zeigt er ihnen seine Hände und Füße – mit den Wundmalen der Kreuzigung – und isst ein Stück gebratenen Fisch vor ihren Augen…(Lukas 24, 37-43)
Dass Jesus wirklich auferstanden ist, dass er nach der Kreuzigung nun wieder lebt, das ist völlig außerhalb des Vorstellungsvermögens der Jünger, und darum können sie mit diesem Auferstandenen gar nichts anfangen. Er erschreckt und verängstigt sie nur.
Wenn einer von den Toten zurückkommt, dann kann das höchstens ein Geist, ein Gespenst sein. Von Geistern Verstorbener wussten die Jünger, das war im Alten Testament ein Thema. Die Anrufung und das Heraufbeschwören Toter war mit schwerer Strafe sanktioniert und doch kam es immer wieder vor. Eine der dramatischsten Szenen in diesem Zusammenhang ist die Geschichte von Saul, dem ersten König Israels. Als dieser den Krieg gegen die feindlichen Philister zu verlieren droht, sucht er in höchster Not eine Frau in En-Dor auf, von der es heißt, „dass sie Gewalt über einen Totengeist hat“. Er verlangt von ihr, den Geist des verstorbenen Propheten Samuel heraufsteigen zu lassen, um sich von ihm Rat zu holen. Doch der Geist, der erscheint und wie Samuel aussieht, prophezeit ihm die Niederlage und den Tod: „Morgen wirst du samt deinen Söhnen bei mir sein“ (1 Samuel 28).
Was an Ostern geschieht, ist geradezu die Gegengeschichte dazu.
Jesus ist kein Geist, kein Gespenst, kein Schatten, kein Phantom aus der Totenwelt. Er ist das Gegenteil davon: Das reine Leben, die überbordende Lebenskraft und Lebensmacht und Vitalität. Er ist, so wird es Petrus wenig später in Jerusalem verkünden: „der Urheber des Lebens“ (Apostelgeschichte 3,15) .
Aber was ist denn da eigentlich mit ihm passiert in der Auferstehung? Es ist schon verständlich, dass die Jünger perplex sind. So etwas hatte es vorher noch nie gegeben, es ist etwas völlig Neues.
Jesus ist derselbe, der einst seine Jünger berufen hatte, ein leibhaftiger Mensch, und er ist der Neue, der in ein anderes, größeres Dasein eingetreten ist.
Jedes Jahr erscheinen auf dem theologischen Büchermarkt unzählige Neuerscheinungen, über alle möglichen Detailfragen des Glaubens und der Kirche, die niemanden außer ein paar Fachkollegen interessieren (und nicht selten mit zersetzender Tendenz). Aber wo es um den Kern und das Zentrum, das A und O unseres Glaubens geht, die Auferstehung und das ewige Leben, da herrscht das große Schweigen. Dazu fällt den Gelehrten wenig ein, da sind sie kaum klüger als die Apostel am Anfang..
Bis auf einige wenige Ausnahmen, zum Beispiel den Theologen, den man den Kirchenlehrer unserer Zeit nennen kann, Papst Benedikt XVI. Bei ihm finden sich Hinweise, die einen neuen Verstehenshorizont der Auferstehung eröffnen. So schreibt er in seinem Buch „Jesus von Nazareth II“ (268, 291, 293):
„Die Auferstehung ist der Durchbruch in eine neue Dimension der menschlichen Existenz, ein Quantensprung, ein Mutationssprung…“ Oder ausführlicher in der Osternachtpredigt 2006: „Christi Auferstehung ist die größte „Mutation“, der absolut entscheidendste Sprung in ganz Neues hinein, der in der langen Geschichte des Lebens und seiner Entwicklungen geschehen ist: ein Sprung in eine ganz neue Ordnung, der uns angeht und die Geschichte betrifft…Auferstehung war gleichsam eine Explosion des Lichts, eine Explosion der Liebe, die das bislang unauflösbare Geflecht von „Stirb und Werde“ aufgelöst hat. Sie hat eine neue Dimension des Seins, des Lebens eröffnet, in die verwandelt auch die Materie hineingeholt wird, und durch die eine neue Welt heraufsteigt“.
Für mich ist hier besonders der Gedanke des „Mutationssprungs“ erhellend, ein Begriff aus der Evolutionslehre. Es gibt etliche „Sprünge“ in der Entwicklung des Kosmos und des Lebens, die aus reinem Zufall nicht erklärbar sind, darunter speziell drei: Der Sprung vom Nichts zum Sein, der Sprung von der unbelebten Materie zum Leben, und der Sprung von biologischen Leben zum geistigen Leben, zur Person…
Und nun, sagt Benedikt, kommt – durch Christus – ein vierter qualitativer Sprung, ein weiterer Durchbruch in eine neue Lebensform: das Auferstehungsleben, das ewige Leben in „Herrlichkeit“, wie es die Bibel nennt.
Wenn das nicht wirklich „Evangelium“, Frohe Botschaft, ja die Frohe und wichtigste Botschaft überhaupt ist!
Denn den Durchbruch ins ewige Leben, in diese neue Dimension der Existenz hat Jesus nicht in erster Linie für sich selbst geschafft, sondern für uns, seine Menschenbrüder- und Schwestern. Paulus nennt ihn wiederholt den „Erstgeborenen von den Toten“. Der auferstandene Jesus ist der Erste von vielen. Wir sehen an ihm, was wir für uns selbst hoffen dürfen.
Ewiges Leben heißt nicht, dass wir den Tod irgendwie überleben, dass die Seele weiterexistiert irgendwie, irgendwo als ein Schatten in der Unterwelt, als ein im unendlichen Kosmos umherirrender Geist..
Nein, das ewige Leben wird kein Schattendasein sein, sondern umgekehrt ist es:
Unser hiesiges Dasein ist nur ein Schatten , ein kümmerliches Dasein im Vergleich zu der Lebensdimension, die Jesus uns eröffnet hat. Es ist ein Neubeginn auf einem höheren Level, wobei alles irdisch Gebrochene, Verletzte und Zukurzgekommene geheilt wird. Deshalb kann der Apostel Paulus sagen: „Die Leiden der gegenwärtigen Zeit bedeuten nichts im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll (Röm 8, 18)
Und es kommt darauf an, dass wir das immer mehr realisieren, in uns eine feste und frohe Gewissheit werden lassen. Und dann geschieht hoffentlich auch in uns die Verwandlung, die die ersten Jünger damals erlebten, dass wir die ewige Angst und Gedrücktheit abschütteln und mit etwas mehr Mut und Begeisterung für unseren Herrn und seine Sache einstehen. „Ich seid Zeugen dafür“, sagt der Herr am Schluss des heutigen Evangeliums zu den Jüngern.
Wir sind seine Jünger heute, und es ist wirklich unsere Pflicht und Schuldigkeit für das Große, das er uns ermöglicht hat, Zeugnis zu geben.