Bewährt in der Schule des Herrn

Predigt zu einem Vierzigjährigen Priesterjubiläum (Mt 4, 1-11)

Lieber Mitbruder,gerne halte ich heute die Predigt zu diesem Jubiläum.
Vierzig Jahre im Dienst des Herrn. „Vierzig“ ist in der Heiligen Schrift eine besondere Zahl. Es ist die Zeit der Vorbereitung, der Schule Gottes. – Vierzig Jahre führt Gott das Volk Israel durch die Wüste, bevor es ins Gelobte Land einziehen darf. In diesen Jahren bildet er das Volk heran – durch Mose – er führt die Israeliten in die Wahrheit des Glaubens ein, will sie immer mehr an sich binden, wirklich zum Gottesvolk formen. Und oft wird er von seinem Volk enttäuscht. Denken wir nur an die tragische Stunde, als Mose auf dem Berg Sinai die Bundestafeln mit den Zehn Geboten empfängt, während unten die Israeliten um das goldene Kalb tanzen…
Im Neuen Testament begegnet uns wieder die Zahl 40. Bevor Jesus nach seiner Taufe in Israel aufzutreten beginnt, zieht er sich vierzig Tage und Nächte in die Wüste zurück, zum Fasten und zum Gebet. Und dort wird er „in Versuchung geführt.“ Diese Versuchungen, die da an Jesus herantreten, sind nicht willkürlich gewählt. Es sind die drei Grundgefährdungen des Menschen, denen jeder ausgesetzt ist, auch der Priester.

Die Erste: „Wenn du Hunger hast und zugleich Gottes Sohn bist, dann mach dir doch aus diesen Steinen Brot!“ (Mt 4,3) Man kann dies die Versuchung des Materialismus nennen, des Haben – und Genießenwollens . – Aus allem Brot für mich machen. Auf nichts verzichten können. Jedes Bedürfnis sofort befriedigen. Besitz und Konsum als Lebensinhalt.
Wie viele lassen sich heute von der Welle des Konsumismus und Materialismus wegtragen.- Und sind wir nicht alle schon infiziert?
Wenn wir nun auf unseren Jubilar schauen: Reichtümer hast du in diesen vierzig Jahren nicht angesammelt. Du gehst bald so in den Ruhestand, wie Du angefangen hast. Du hast Dir kein Haus gebaut, keinen Besitz erworben. Was man Dir schenkt, gibst Du weiter. Du lebst bescheiden und anspruchslos und gibst damit allen ein Zeugnis, worauf es ankommt im Leben – und worauf nicht.

Die zweite Versuchung: „Stürz dich vom Tempel herab, die Engel werden dich auf ihren Händen tragen!“ (Mt 4,6) – Jesus soll vor aller Augen etwas Sensationelles vollbringen, ein Schauwunder. Das ist die Versuchung der Eitelkeit, des Glänzenwollens.Auch dies ein tief im Menschen verwurzeltes Bedürfnis. Jeder will zur Geltung kommen und bewundert werden, will gefallen. Die Eitelkeit – die Gefallsucht – ist auch für den Pfarrer eine Gefährdung. Bei allen beliebt sein, überall gut ankommen, und dafür den Leuten nach dem Mund reden, ja nie unbequem werden. Oder aber durch kirchliche Karriere und geistliche Titel groß herauskommen, Eindruck machen. Auch hier ist unser bescheidener Jubilar einen anderen Weg gegangen. Dort, wo Dich der Herr hingestellt hat, hast Du gearbeitet, ohne Aufsehen, beharrlich und treu, in der Verborgenheit. Damit gilt Dir aber auch die Zusage Jesu: „Gott, der im Verborgenen ist, sieht, was man im Verborgenen für ihn tut und wird es dir vergelten“ (Mt 6, 1-6; 16-18).

Und schließlich der dritte Angriff des Bösen, die Versuchung zur Macht, zum Herrschenwollen: „Alle Reiche der Welt will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest“ (Mt 4,9).
Jesus stellt dieser Versuchung zur Macht die Bereitschaft zum Dienen entgegen: „Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“ (Mt 4,10).
„Gott dienen“ – das ist der ganze Sinn und Zweck des Priestertums.- Gott dienen zum Heil der Menschen.
Das hast Du getan, lieber Mitbruder, und zwar in Treue und Verlässlichkeit. Vierzig Jahre lang. Manchmal fragen die Leute „Was tut der Pfarrer eigentlich?“ „Was schaffen die Pfarrer überhaupt?“
Was der Pfarrer, was der Priester tut, das merkt man dann, wenn es keinen mehr gibt… Auch deinen Gemeinden wird es noch aufgehen, was sie an dir gehabt haben. Wenn keiner mehr da ist, der unermüdlich den Karren zieht, der alles zusammenhält, der immer aufs Neue motiviert, einlädt, vorausmarschiert.

Lieber Confrater, so können wir heute an Deinem vierzigsten Weihetag sagen: Du hast die Lehrzeit im Weinberg des Herrn mit Auszeichnung bestanden. Du darfst Dich jetzt einen Meister nennen. Und tatsächlich kann Dir wohl niemand mehr in Sachen Seelsorge, Pastoral, Pfarrersein etwas vormachen.
Wenn du diese vierzig Jahre überblickst, es war insgesamt eine Zeit der allmählichen Entchristlichung und Entkirchlichung unseres Landes. Wie wird es in den nächsten vierzig Jahren weitergehen?
Nach menschlichem Ermessen lautet die Prognose: Die kontinuierliche Abwärtsbewegung wird weitergehen und sich dem Nullpunkt nähern…
Aber Gott sei Dank haben wir nicht nur diese menschliche Perspektive, sondern Hoffnung. Und die Hoffnung kommt nicht von Menschen, sondern allein von Gott. Gott hat immer Möglichkeiten, von denen wir nichts ahnen. Für ihn ist nichts unmöglich. Ein zeitgenössischer Philosoph (Gomez Davila) sagt: „Der intelligente Optimismus ist nie Glaube an den Fortschritt, sondern Hoffnung auf ein Wunder“.
Vielleicht also darf auch die Kirche bei uns noch ein Wunder erleben. Du aber darfst sicher sein: Vieles von dem, was Du in vierzig Jahren Priestertum ausgesät hast – in der Predigt, im Religionsunterricht, bei Kommunionkindern und Firmlingen, in der Seelsorge an Alt und Jung, durch die Sakramente, durch das Zeugnis Deines Lebens, durch Dein tägliches Gebet: Vieles wird aufgehen und einmal Frucht bringen.
Der Obere eines Ordens pflegte zu sagen: „Im großen Haushalt Gottes geht nichts verloren“. Und dem unvergessenen Bischof Georg Moser war ein Wort des Apostels Paulus wichtig: „Denkt daran, dass im Herrn eure Mühe nicht vergeblich ist!“ (1 Kor 15,58) – Davon darfst auch Du überzeugt sein.

AMEN