Predigt zu einem Silbernen Priesterjubiläum
(Mt 9,35-10,8)
Das Evangelium nennt uns die Namen der Zwölf Apostel, der ersten Jünger Jesu.
Der Priester steht – durch die Priesterweihe – in der Nachfolge der Apostel. Darum hat alles, was uns das Evangelium über die Apostel berichtet, besondere Bedeutung, wenn wir über das Wesen des priesterlichen Dienstes nachdenken wollen – wie in dieser Stunde.
Bevor Christus die Jünger aussendet, in seinem Namen und in seiner Vollmacht aufzutreten, ruft er sie: „Er rief sie zu sich“ (Mt 10,1).
Einige dieser Berufungsgeschichten sind uns überliefert. Zum Beispiel die Berufung der Brüderpaare Petrus und Andreas und Johannes und Jakobus.
Die waren Fischer; übten den Beruf ihrer Väter am See Genezareth aus; hatten – im Falle des Petrus – eine Familie gegründet ( – Jesus heilt ja bekanntlich die Schwiegermutter des Petrus). Und da taucht eines Tages Jesus Christus auf und ruft diese Männer, die er sich erwählt hat, kurzerhand aus ihrer bisherigen Existenz heraus: Kommt, laßt alles stehen und liegen und folgt mir nach! Von jetzt ab seid ihr Menschenfischer.
Mit göttlicher Souveränität und Freiheit krempelt Christus das Leben der Jünger von Grund auf um. Er weiß auch, warum er ihnen das zumuten kann: weil er ihnen etwas Großes zu geben hat. Weil er sie hinausführen will ins Weite, in eine neue Freiheit und in eine Fülle neuer Lebensmöglichkeiten.
Petrus wird später einmal sagen: „Herr, du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.“ Worauf ihm Jesus antwortet: „Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Frau, Brüder, Eltern, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Welt wird er Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das Ewige Leben“ (Mt 10, 28-30).
Ein Ruf Gottes, eine persönliche Berufung durch Jesus Christus steht auch am Anfang einer jeden Priesterbiographie. „Mit einem heiligen Ruf hat er uns gerufen“, sagt Paulus einmal (2 Tim 1,9). Auch bei Dir, lieber Mitbruder, ist es so gewesen und es ist bei Dir sogar besonders deutlich geworden: Daran, wie Du das Wagnis eingegangen bist, Deinen bisherigen Beruf aufzugeben, noch einmal ganz neu anzufangen und alles auf die Karte Jesus Christus zu setzen.
Der Papst schreibt in jedem Jahr zum Gründonnerstag einen Brief an die Priester. In einem der letzten Briefe schrieb er, die Priester sollten sich immer wieder daran erinnern und sich vor Augen halten, dass sie berufen worden sind. Dass sie also nicht einfach auf eigene Faust diesen Beruf ergriffen haben, sondern dass Gott es war, der sie dazu bestimmt und erwählt hat. – „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr aufbrecht und Frucht bringt“, sagt Jesus einmal zu den Jüngern (Joh 15,16).
Wenn uns aber Christus erwählt hat und für geeignet gehalten hat, in seinem Namen aufzutreten, dann dürfen wir es immer wieder von neuem getrost wagen und alle Selbstzweifel fallen lassen, die den Pfarrer in seiner der Öffentlichkeit ausgesetzten Position so oft ankommen. – Hier muss man sich an das Wort des Paulus halten: „Gott, der euch berufen hat, ist treu. Er wird es vollenden“ (1 Thess 5,24).
Die Berufung zum Leben im Dienst Jesu Christi ist die Basis der priesterlichen Existenz. Hier ist auch die priesterliche Ehelosigkeit, der Zölibat begründet.
Zölibat heißt: einen Bund des Lebens mit Gott schließen. Heißt wie die ersten Jünger, die zwölf Apostel, die bürgerliche Existenz lassen, um ganz für das Reich Gottes dazusein.
Und jeder Priester wird auch erfahren, dass das nicht nur Verzicht und Opfer bedeutet, sondern Freiheit und Leben in vielfältigen menschlichen Beziehungen. – Nicht Isolation, sondern im Gegenteil: eine größere Zugänglichkeit für die Menschen.
Christus beruft die Jünger, um sie auszusenden zu den Menschen, zu den Vielen, die müde und erschöpft sind „wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9,36).
So sieht der Herr die Menschen, und so geht es ihnen in Wahrheit auch.
Das Leben in dieser Welt ist nicht, wie uns heute vorgemacht wird, eine einzige große Party. Das Leben des Menschen ist eine Aufgabe, oft genug eine schwere Aufgabe, mühselig, enttäuschend und trist.
Das Leben ist manchmal ein Kampf und oft auch eine Schule des Leidens, wenn wir an die Schicksalsschläge denken, die Menschen treffen können.
Und doch läßt sich dieses Leben meistern – und sogar mit einer großen inneren Freiheit und Freude – wenn man nicht alleingelassen ist, sondern wenn man sich geliebt weiß; wenn man sich gerufen und geführt und getragen weiß von dem, der sagt: „Ich bin der Gute Hirt“ (Joh 10,11). Und wenn man dann mit dem Psalm 23 sagen kann:
„Der Herr ist mein Hirte. Nichts wird mir mangeln. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal: Ich fürchte kein Unheil, denn Du bist bei mir.“
(Dieses Du des Guten Hirten ist das Entscheidende, das alle Not und Gefahr aufwiegt.)
Und dazu sendet Jesus seine Jünger aus: als Hirten für seine Schafe. – „Geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Geht und verkündet: das Himmelreich ist nahe“ (Mt 10,6).
Durch seine bevollmächtigten Diener will Christus der Gute Hirt sein für alle Menschen, für die Menschen aller Zeiten und Orte.
„Pastoren“ nennt man in Norddeutschland die Pfarrer: Hirten.
Christus, den Guten Hirten, repräsentieren. Und die Gnadengaben weitergeben, die der Priester nicht aus sich selbst hat, sondern in der Weihe vom Herrn empfangen hat: das vollmächtige Wort und Sakrament.
Und nun erkennen wir auch, worin die eigentliche Not des Priestermangels besteht. Es ist nicht der Mangel an irgendwelchen Gemeindeleitern und Kirchenfunktionären. Wo es den Priester nicht mehr gibt, da gibt es den Dienst des Guten Hirten nicht mehr. – Und das ist schlimm.
Umgekehrt haben wir allen Grund, dankbar zu sein für gute Priester.
Ein guter Priester ist ein gläubiger Priester. Der Priester soll Zeuge des Glaubens vor den Menschen sein. Darum muss er vor allem selbst gläubig sein.
Ein guter Priester ist ein treuer Priester, ein seiner Berufung und seinem Dienst treuer Diener Christi.
Der hl. Pfarrer von Ars ist Patron der Priester. Mehrfach, so ist überliefert, wollte er geradezu fluchtartig seine Gemeinde verlassen, um ins Kloster zu gehen. Aber jedes Mal kehrte er noch auf dem Weg wieder um.
Der Druck, der heute auf dem Priester und speziell: dem Pfarrer in der Gemeinde lastet, ist enorm. Die ganze Not der Glaubenskrise, die die Kirche in Deutschland erlebt, die Not des Priestermangels und die Not des Gläubigenmangels bekommen die Pfarrer hautnah zu spüren. Die Pfarrer sind geradezu die Frontsoldaten der Pastoral. – Sie werden immer weniger und bekommen immer mehr Pfarreien aufgehalst. Und gleichzeitig werden die Kirchen immer leerer.
Mit wie viel Enttäuschungen muss der Pfarrer fertig werden.
Da liegt es nahe, die Flucht zu ergreifen in die „Etappe“, das heißt in weniger aufreibende und frustrierende Tätigkeitsbereiche.
Danke denen, die bleiben, die aushalten. Sie sind so, wie Jesus den Guten Hirten beschreibt:
Er bleibt bei den Schafen, auch wenn der Wolf kommt. – Warum? Weil ihm an den Schafen liegt (Joh 10,11-15).
„Liebe zeigt sich im Bleiben“ (Joseph Ratzinger). Das gilt auch für den Dienst des Priesters.
Aus gutem Grund feiern wir darum heute dieses 25jährige Priesterjubiläum. Wir wollen Gott danken für diesen Pfarrer, für diesen Hirten, an den man sich halten, dem man vertrauen kann.
Wir wollen Gott bitten, dass Du, lieber Mitbruder, manches von dem, was Du in fünfundzwanzig Jahren Priestertum an Gutem ausgesät hast, aufgehen und Frucht bringen siehst; dass Dir noch viele erfüllte und gesegnete Jahre im Weinberg des Herrn beschieden sind.
Wir wollen aber auch der Aufforderung des Herrn Folge leisten und darum bitten, dass Gott wieder mehr Priesterberufungen schenkt. Denn: die Ernte ist groß – der Arbeiter aber sind nur wenige.