Schicksalsfrage Lebensschutz:

Predigt beim Bittgottesdienst des „Katholischen Aktionskreis
für das Leben (KAL)“ am 1. Juli 2001

Mutter Teresa ist für viele Menschen ein Inbegriff der Nächstenliebe, des selbstlosen Einsatzes für die Ärmsten der Armen. Aufgrund ihres internationalen Ansehens erhielt sie 1979 die höchste Auszeichnung in unserer Welt, den Friedensnobelpreis. Obwohl ihr Auszeichnungen und Ehrungen nichts bedeuten, nimmt sie den Preis an:
Sie kann das Preisgeld gut für ihre Armen gebrauchen. Außerdem lässt sie sich noch das Geld für das bei der Preisverleihung vorgesehene Bankett auszahlen.
Damit richtet sie ein Weihnachtsfest für die allerärmsten Kinder aus.
Die Dankesrede in Stockholm nutzt sie dann, ein paar deutliche Worte zu sagen, mahnende Worte an die westliche Welt:

„Wir reden vom Frieden….. aber nach meiner Überzeugung ist heute der größte Zerstörer des Friedens die Abtreibung, denn sie ist ein direkter Krieg, ein direktes Töten, ein direkter Mord durch die Mutter selbst… Das ungeborene Kind ist in die Hand Gottes eingeschrieben“.

Viele im erlauchten Publikum werden damals unangenehm berührt gewesen sein. Aber sie mußten die Rede hinnehmen, zu groß war die moralische Autorität des „Engels der Armen“.
Nicht nur für deutliche Worte war Mutter Teresa gut, sondern mehr noch für ungewöhnliche Taten. So startete sie die Aktion
„Ich nehme jedes Kind“.- Ein Angebot an ungewollt schwangere Frauen, ihre Kinder auszutragen und von Mutter Teresa adoptieren zu lassen. Unzähligen Kindern wurde auf diese Weise das Leben gerettet, Kindern, die heute stolz darauf sind, Kinder der berühmten Mutter Teresa zu sein.
(Übrigens zeigt uns Mutter Teresa hier einen viel zu wenig beachteten Ausweg für Schwangerschaftskonflikte, die Möglichkeit der Adoption.)

Bei allem Ansehen Mutter Teresas:
Ihr beschwörender Appell zum Schutz der ungeborenen Kinder verhallte ungehört. Heute sind wir so weit, dass in Deutschland rund 100 000 Kinder pro Jahr abgetrieben werden.
100 000 – das ist ein Siebtel eines Jahrgangs. 700 000 Geburten – und 100 000 Abtreibungen im Jahr – das ist die Realität in Deutschland!
Und alle haben sich damit abgefunden.
Bis auf ein paar unverbesserliche Lebensrechtsgruppen und „fundamentalistische“ Katholiken – wie z.B. den Papst in Rom …Ja, alle konnten gut mit der Abtreibung leben, bis auf einmal in allerjüngster Zeit ein paar Alarmsignale aufleuchteten:

Zuerst schlug die Wirtschaft Alarm.
Die Deutschen seien ein überaltertes Volk, heißt es.
Es fehle an Nachwuchs, Arbeitsplätze können nicht mehr besetzt, Renten bald nicht mehr bezahlt werden.
So die Diagnose der Wirtschaft.
Die Deutschen – ein sterbendes Volk.
Und wie sieht die Therapie aus?
Um die Wirtschaft und damit den Wohlstand auf dem gegenwärtigen Niveau zu halten, müssten ab dem Jahr 2010 jährlich 200 000 Ausländer in Deutschland angesiedelt werden.

Ein weiteres Menetekel, das viele verunsichert, sind die Nachrichten aus den Genlabors und den Fortpflanzungskliniken. – Die Gentechnik tritt die Nachfolge der Atomtechnik als – je nach Standpunkt – Zukunftstechnologie oder Horrortechnologie an.
Über den menschlichen Embryo macht man sich her in den Labors: Man experimentiert und manipuliert und klont und lässt das eine leben und vernichtet das andere…
Und manch einem läuft es eiskalt den Rücken herunter.
Und wieder anderen geht plötzlich ein Licht auf.
Etwa dem SPD-Politiker Friedhelm Farthmann, der unlängst bei einer Podiumsdiskussion über Gentechnik zur Überraschung des Auditoriums zu der Erkenntnis kam:
„Im Grunde müsste man Abtreibung verbieten. Denn sonst kann ich den Leuten nicht klarmachen, warum man Embryonen zur Forschung nicht gebrauchen darf, während man sie sonst massenhaft abtreibt, ja bei Behinderung noch kurz vor der Geburt töten darf“.
Der Mann denkt logisch.
Hoffen wir, dass sich solches logische Denken durchsetzt.

Es gibt also bei allem Schlimmen, bei allem Angstmachenden und Bedrückenden auch Hoffnungszeichen.
Ich bin überzeugt: Der Schutz des menschlichen Lebens – von der Empfängnis bis zum Tod – wird das entscheidende Thema der Zukunft. Dazu gehört auch die Euthanasie. -Denn es ist eigentlich klar: Wenn das Tötungstabu einmal aufgehoben ist bei den ungeborenen Kindern, dann wird es über kurz oder lang auch für andere gefährlich, für Alte, Kranke, Depressive, für alle, die den Mitmenschen eine Last sind.
Über diese Fragen wird jetzt gestritten werden. Und es kommt darauf an, dass wir Christen die Diskussion nicht (wieder) verschlafen!

Jeder hat hier Verantwortung. Jeder muss sich informieren, sich selbst ein Problembewusstsein schaffen. Jeder muss, wo immer er gefragt ist – in der Familie, am Stammtisch, in der Kirchengemeinde, in der Partei – den Mund aufmachen.
Und – vielleicht das Wichtigste – jeder muss dieses Thema auch ins Gebet nehmen, zu seinem persönlichen Gebetsanliegen machen.

Das können wir wiederum von der großen Mutter Teresa lernen:
„Für mich ist die Wurzel aller Übel, die uns bedrängen, der Mangel an Gebet.
Das wichtigste und wirksamste Mittel, um die Gesellschaft zu erneuern, ist das Gebet“.

Amen