OSTERN:Das zentrale und fundamentale Fest der Christenheit

Predigt zum Ostersonntag

Ostern ist das wichtigste und das grundlegende, das fundamentale Fest der Christenheit. Warum? Aus zwei Gründen. Zum einen, weil Ostern Antwort auf die wichtigste Frage des Menschen gibt: die Todesfrage. Zum anderen, weil es ohne Ostern die Christenheit überhaupt nicht gäbe. Lassen Sie mich diese beiden Aspekte ein wenig erläutern.

Ostern gibt Antwort auf die wichtigste Frage, die Todesfrage. Der Tod ist das Grundproblem jedes Menschen. Denn der Tod kommt todsicher auf jeden zu. „Incerta omnia, sola mors certa“, sagt der heilige Augustinus. – Im Leben ist alles unsicher, nur eines ist sicher: der Tod. Und nicht nur sicher ist der Tod, sondern auch allgegenwärtig. „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“, heißt es in einem alten liturgischen Gesang. Mitten im Leben sterben wir immer wieder einen Tod. Immer dann nämlich, wenn Leben zu Ende geht, wenn wir Lebensmöglichkeiten verlieren, zum Beispiel durch Krankheit, durch Alter oder durch den Verlust anderer Menschen. Sterbliche sind wir, dem Tod ausgeliefert, in unseren Lebensmöglichkeiten begrenzt. Die Todesfrage ist das große Problem des Menschen.

Und nun sagt uns das Osterfest:
Es gibt eine Antwort auf die Todesfrage. Und diese Antwort ist: Jesus Christus, der Auferstandene. Christus ist für uns gestorben. Er hat unseren Tod auf sich genommen, um den Tod zu besiegen. Sein Leben, seine Liebe, seine Person hat sich als stärker erwiesen als der Tod.

Das heißt für uns: Der Tod hat nicht mehr das letzte Wort. Auferstehung vom Tod ist möglich. Neues Leben, Leben in Fülle ist möglich. Ist möglich für alle , die zu Christus, dem Auferstandenen, gehören und ihm vertrauen. Denn das ist sein Versprechen: „Ich lebe – und ihr sollt auch leben!“

Eine wichtigere Botschaft gibt es nicht, darum ist das Fest der Auferstehung das wichtigste Fest des Glaubens. Und es ist – und jetzt kommen wir zum zweiten Aspekt – der Ursprung und die Grundlage der Kirche. Ohne die Auferstehung Jesu wäre das, was nach Ostern begonnen hat, nicht möglich gewesen und nicht erklärbar.

Denken wir doch nur zwei Tage zurück, denken wir an den Karfreitag. Da war die verschwindend kleine Schar der Jünger Jesu. Am Abend, als Jesus verraten und verhaftet wurde, verließen ihn alle und flohen. Petrus spielte eine besonders unrühmliche Rolle: Aus Angst vor den Menschen wollte er plötzlich mit seinem Herrn und Meister nichts mehr zu tun haben. Jesus wird als Schwerverbrecher und Gotteslästerer hingerichtet – und begraben; vor das Grab wird ein schwerer Stein gewälzt.

Liebe Gläubige, wenn das alles gewesen wäre, wenn das das Ende gewesen wäre: Wie hätte da das Christentum entstehen sollen? Wie hätte es zu jener Bewegung kommen sollen, die bald den ganzen Erdkreis erfaßte und alle heidnischen Religionen verdrängte? Warum hätten die Apostel, die ängstlichen und kleingläubigen, plötzlich Anlaß haben sollen, für den Glauben an Christus freudig in den Tod zu gehen? – Schauen wir uns nur die erstaunliche Veränderung des Petrus an: Er, der es in der Ölbergnacht nicht wagte, sich zu Jesus zu bekennen, steht jetzt auf dem Marktplatz von Jerusalem und predigt in aller Öffentlichkeit.

Woher dieser Umschwung? Es gibt nur eine vernünftige Erklärung: Der Tod und das Grab Jesu können nicht das Letzte gewesen sein. Da muß noch mehr passiert sein, etws Großes, etwas Gewaltiges; ein umwälzendes Ereignis. (Diese Argumentation verdanke ich übrigens dem jüdischen Bibelwissenschaftler Pinchas Lapide; der tatsächliche Gang der Geschichte war für ihn nur unter der Annahme der Auferstehung Jesu erklärbar.)

Die Naturwissenschaft meint, dass bei der Entstehung des Kosmos der sogenannte „Urknall“ eine Rolle gespielt habe; eine unvorstellbar starke Energieexplosion, die die Entwicklung des Alls in Gang gesetzt habe. Die Auferstehung Jesu ist etwas ähnliches: der Urknall der Neuschöpfung; die Eröffnung einer ungeheueren Dynamik, die unaufhaltsam ihrem Höhepunkt entgegenstrebt.
Papst Benedikt XVI. sagt es so: „Christi Auferstehung ist die größte „Mutation“, der absolut entscheidendste Sprung in ganz Neues hinein, der in der langen Geschichte des Lebens und seiner Entwicklungen geschehen ist: ein Sprung in eine ganz neue Ordnung, der uns angeht und die Geschichte betrifft…Auferstehung war gleichsam eine Explosion des Lichts, eine Explosion der Liebe, die das bislang unauflösbare Geflecht von „Stirb und Werde“ aufgelöst hat. Sie hat eine neue Dimension des Seins, des Lebens eröffnet, in die verwandelt auch die Materie hineingeholt und durch die eine neue Welt heraufsteigt“ (Predigt in der Osternacht 2006).

Darum erinnern wir uns heute der Auferstehung nicht wie eines längst vergangenen Ereignisses. Nein, wir stehen selbst mitten drin in dieser Bewegung, die von Ostern ausgeht. Wir sind selbst hingeordnet auf das Ziel der Heilsgeschichte: die Verklärung der Welt, das universale Ostern, den neuen Himmel und die neue Erde. Die große Explosion der Auferstehung hat, um nochmals den Papst zu zitieren, „schon in der Taufe nach uns gegriffen. Wir gehören schon einer neuen Dimension des Lebens zu, in die wir mitten in den Bedrängnissen dieser Zeit schon hineingehalten sind“.

Möge uns darum am heutigen Ostertag etwas von der Freude, der Begeisterung, dem Mut erfüllen, von dem einst die Jünger nach der Auferstehung des Herrn erfaßt wurden und der sie zu neuen Menschen machte.

Amen.