Menschen zum Erlöser bringen

Predigt zum 7.Sonntag im Jahreskreis (B)

„Was ist leichter: zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben!, oder zu sagen: Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh umehr ?“(Mk 2,9)
Menschlich gesehen ist die Antwort klar: natürlich das Erstere. Natürlich ist eine Absolution zu erteilen leichter, als eine Lähmung zu heilen. Das ist etwas Sensationelles, etwas, das kein normaler Sterblicher fertigbringt.
Jesus allerdings scheint die Sache anders zu sehen. Für ihn ist die Sündenvergebung das Erste und Vordringliche, was er dem Gelähmten zu geben hat.
Die Heilung gibt er dann gleichsam noch als Dreingabe dazu, als Beweis für seine göttliche Vollmacht.
Aber das Eigentliche ist, dass er den Mann von seinen Sünden freispricht.
Die Schriftgelehrten empören sich darüber: „Niemand kann Sünden vergeben als Gott allein !“
Jesus bestreitet das nicht.
Es ist wahr: Sündenvergebung ist ein Werk Gottes; im Grunde genauso etwas Übernatürliches, genauso ein Wunder wie eine spontane, unerklärbare Heilung. Nur Gott und der, der von Gott gesandt ist, der Menschensohn, kann das.
Wenn das so ist, liebe Gläubige, dann kann die Sünde nichts Harmloses sein. Dann muss die Sünde etwas ähnlich Gravierendes sein wie eine schwere Krankheit oder Behinderung, ein für die Menschen unheilbares Leiden.Sünde ist in biblischer Sicht die Gottferne und Gottlosigkeit des Menschen. – Sündigen heißt: Sich-sondern von Gott und seinem Gebot der Liebe. Leben in der >Gottesfinsternis< (Martin Buber). Das ist das eigentliche Grundübel an der Wurzel des ganzen Menschengeschlechts, die Ursünde, an der die ganze Welt krankt und aus der letztlich alle Übel und Nöte und alle Tragik der Menschheit hervorgehen.
Das ist der Grund, warum Jesus gekommen ist. – Er ist „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29).
Er ist es, der die Menschen an der Wurzel der Seele heilt und wieder mit Gott versöhnt, ja zu Kindern Gottes macht.
Das ist seine Heilstat für uns, und die brauchen alle, ob gesund oder krank. – Am meisten die vielen Selbstgerechten und Selbstgefälligen, die meinen, sie seien doch ganz in Ordnung und bräuchten keine Vergebung. – Wenn heute gerade das Sakrament der Sündenvergebung, die Beichte, so wenig gefragt ist, dann ist das kein gutes Zeichen, dann ist das ein Symptom für den so verbreiteten Unschuldswahn, die Lebenslüge: >Ich bin o.k. – Ich brauche keine Vergebung.<

Liebe Gemeinde, der Gelähmte im Evangelium kam nicht aus eigener Kraft zu Jesus. – Das hätte er gar nicht geschafft.
Vier Männer trugen ihn und brachten ihn mit einiger Anstrengung und ungewöhnlichen Maßnahmen bis vor den Herrn.
Auch das gibt zu denken.
Wir dürfen nicht nur an uns selbst denken. Es reicht nicht, für das eigene Seelenheil zu sorgen. Wir sind auch für andere verantwortlich.
Menschen zu Christus führen, Menschen zum Heiland und Erlöser der Welt bringen: das ist der Auftrag der Christen.
Viele Menschen sind heutzutage in Sachen Religion und Kirche geradezu gelähmt, sie schaffen den Weg nicht mehr aus eigener Kraft und Initiative.
Behalten wir das im Auge.
Wann ist uns Jesus näher als jetzt in dieser Stunde, jetzt, wenn sein Opfer zur Vergebung der Sünden mitten unter uns gegenwärtig wird, der neue und ewige Bund in seinem Blut? – Sollten da nicht noch viel mehr dabeisein dürfen ?
Versuchen wir, sie mitzubringen!
Kapitulieren wir nicht so schnell. Auch nicht als Eltern. Kapitulieren wir nicht so schnell vor der Trägheit und den Unlustgefühlen der anderen.
Es geht schon um viel. – Das müssen wir wissen.
Da lohnt sich schon etwas Anstrengung und Phantasie – nach dem Vorbild der Vier, die den Gelähmten mit großem Aufwand zu Jesus bringen.
Liebe Gemeinde, uns allen wurde viel vergeben – und – wie der heilige Johannes sagt – Gnade über Gnade geschenkt (Joh 1,16). Das soll uns dankbar machen gegenüber Gott und bereit, ihm nach Kräften zu dienen.

Amen.