Himmlische Weisung

Predigt zum 7. Sonntag im Jahreskreis C (Lk 6, 27-38)

„Segnet die, die euch verfluchen, betet für die, die euch misshandeln. Liebt eure Feinde und tut Gutes und leiht, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt“ (Lukas 6, 28.35).
Das Gebot der Feindesliebe. Dieses Gebot kennt nur das Christentum, keine andere Religion und auch keine andere Weltanschauung. Es ist einzigartig, ein Alleinstellungsmerkmal des Christentums.
Der Islam zum Beispiel kennt auch das Gebot der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit. – „Im Namen Allahs, des Barmherzigen“, so beginnen viele Suren im Koran. Zu den fünf Säulen des Islams gehört auch die Barmherzigkeit, das Almosengeben. Aber dann trennen sich die Wege; denn barmherzig soll der Moslem nur gegenüber Glaubensbrüdern sein, nicht gegenüber dem Ungläubigen. Den Ungläubigen soll man nicht lieben, den soll man bekämpfen.
Wir sehen, welche andere, ganz neue Welt hier das Evangelium auftut. Wenn Menschen vom Islam zum Christentum konvertieren, dann spüren sie dieses ganz Andere und ganz Neue des Christentums ganz stark. Gerade dieses Gebot, auch die Feinde zu lieben, denen Gutes zu tun, die gegen uns sind, das fasziniert sie. Da erleben sie, gerade weil sie von außen kommen, dass diese Weisung alles in dieser Welt Übliche, die normalen Maßstäbe sprengt.

„Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder. Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt. Dann werdet ihr Söhne des Höchsten sein, denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen“ (Lk 6, 32.35).
Ich sage es einmal mit anderen Worten: Schließe niemanden von deiner Güte und deinem Wohlwollen aus. Sag von keinem: Der nicht! Sei nicht nur gut zu denen, die es verdient haben. Denn auch Gott, der Vater, schließt niemanden aus von seiner Liebe, auch dich nicht, obwohl du es vielleicht nicht immer verdient hast.
Niemanden prinzipiell ausschließen, auch nicht den Unsympathischen, den Fremden, den Gegner, das bedeutet das Herz ganz weit machen, den Kreis meines Lebens vergrößern, so dass viele Platz darin haben und nicht nur die engsten Angehörigen und Freunde…

Das große, weite Herz, das gehört auch zu dieser goldenen Regel:
„Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand etwas wegnimmt, verlang es nicht zurück“ (Lk 6, 30).
Auch das ein schmerzhafter Schnitt in unsere Selbstliebe. Denn das uns so heilige: MEIN, nicht DEIN!, das soll jetzt nicht mehr gelten? Das Meine soll ich einfach dem andern lassen, wenn er es braucht? Unerhört. Revolutionär geradezu.
Mir fallen dazu Verse von Angelus Silesius ein:
„Nichts anders stürzet dich in Höllenschlund hinein
als das verhasste Wort: (merk’s wohl!) das Mein und Dein.
Mensch, wenn du so genau das Deine willst beschützen,
so wirst du nimmermehr im wahren Frieden sitzen“.
Ich kann das Meine krampfhaft festhalten und hüten und horten, aber den Frieden werde ich so nicht finden.

„Richtet nicht, verurteilt nicht, erlasst einander die Schuld!“ (Lk 6, 37) Wie befreiend. Ich will doch eigentlich auch gar nicht der Richter und der Ankläger sein. Das ist doch keine schöne Rolle, warum spiele ich sie so oft? (In der geistigen Welt hat Satan diese Rolle, er ist der ewige Ankläger der Menschen.)
„Gebt, dann wird auch euch gegeben“(Lk 6, 38). Von wem wird uns gegeben? Von Gott. Denn Gott ist der Geber in Person, die Liebe in Person. Von ihm kommt alles, alles ist sein Geschenk. Und Gott gibt nicht nur ein bisschen, er gibt immer im Überfluss. Darum seien doch auch wir ein wenig großzügiger und hochherziger. Geben wir doch gerne, geben wir doch freudig, wie es wahren Kindern Gottes zukommt.

Liebe Mitchristen, Jesu Worte mögen unbequem für unseren eingefleischten Egoismus sein und wir werden sicher immer hinter ihnen zurückbleiben, aber sie sind zugleich etwas Himmlisches, sie sind, wie Paulus in der heutigen Lesung sagt, „lebendigmachender Geist“ (1 Korinther 15, 45).
Spüren wir etwas von der Schönheit und der Wahrheit und der Menschlichkeit dieses Geistes? Ahnen wir, dass sich hier Göttliches zeigt und dass Gott uns sagt, wie wir Menschen eigentlich gedacht sind und wie wir eigentlich leben sollten?