Erntedankfest: Die Botschaft des Gartens

(Mt 6, 25-34; Jak 5, 7-8; 17-18)

Wir begehen das Erntedankfest. Erntedank heißt: Gott, dem Schöpfer und Herrn der Welt danken für die Ernte des Jahres, für die Früchte der Erde, für alles, was uns die Natur so reichlich bietet an Nahrung aller Art; danken aber auch für die Schönheit der Schöpfung, für die Schönheit der Blumen, Bäume, Landschaften.

Das Erntedankfest ist ein Zeichen gegen die Gedankenlosigkeit, mit der der moderne Mensch in die vollen Regale der Supermärkte greift in der Meinung, das alles sei selbstverständlich. Das ist es aber nicht. Wir wissen, daß viele Millionen Menschen auf unserem Globus hungern, kaum das Nötigste zum Leben haben, von Katastrophen heimgesucht werden, die ihnen alle Lebensgrundlagen nehmen. Und die Älteren unter uns können sich selbst noch an Zeiten erinnern, als das tägliche Brot keineswegs selbstverständlich war, sondern ein großes Glück. So haben wir allen Grund, Gott zu danken für seine Gaben und ihn zu bitten für die notleidenden Menschen und die bedrohte Schöpfung.

Um das Erntedankfest bewußt und von Herzen begehen zu können und nicht bloß als theoretische Übung, ist wohl nötig, daß der Mensch eine Beziehung zum Boden, zur Erde hat. – Daß er selbst schon erlebt hat, wie das ist, wenn man etwas pflanzt oder aussät, dann das allmähliche Heranwachsen der Pflanzung beobachtet und sich schließlich an der vollen Frucht, der entfalteten Blüte freuen kann. Diesen Umgang mit dem Ackerboden haben heute in der Landwirtschaft nur noch wenige Menschen; gar nicht so wenige sind es aber, die einen Garten ihr Eigen nennen und von daher das Pflanzen und Ernten kennen. Auch die Früchte auf unseren Erntedankaltären stammen ja zum Teil aus eigenen Gärten. So erlauben Sie mir anläßlich des Erntedanktages ein paar Gedanken über den Garten.

Es gibt ein Chinesisches Sprichwort: „Gib einem Mann eine Flasche Wein, und er ist einen Tag lang glücklich. Gib ihm eine Frau, und er ist ein Jahr lang glücklich. Gib ihm einen Garten, und er ist ein Leben lang glücklich“.

Ein Leben lang glücklich mit dem Garten. – Ob etwas dran ist an dieser Weisheit, können wohl nur die beurteilen, die einen Garten haben und den Garten lieben. Immerhin sagt uns auch die Bibel, daß der Garten etwas mit dem menschlichen Glück zu tun hat, und zwar sagt sie das schon auf den ersten Seiten, wo sie vom Garten Eden erzählt, vom Paradiesgarten, den Gott dem ersten Menschenpaar bereitet hatte. Das Paradies, der Inbegriff des Glücks, wird uns als ein Garten vorgestellt, ale eine harmonische Gemeinschaft von Mensch und Natur, von Mensch und Pflanzen und Tieren, Gewässern, Erde, Luft und Licht.

Auch Christus verweist oft auf die Natur, wenn er das Reich Gottes veranschaulicht. – „Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen!“(Mt 6,28) Nehmen wir uns diese Weisung zu Herzen und fragen uns einmal, was wir vom Garten lernen können.

1. Geduld

Davon war in der heutigen Lesung aus dem Jakobusbrief die Rede: „Der Bauer wartet geduldig auf die kostbare Frucht der Erde, er wartet geduldig, bis im Herbst und im Frühjahr der Regen fällt. Ebenso geduldig sollt auch ihr sein“(Jak 5, 7;8). Ungeduld hat in der Gartenarbeit keinen Platz. Die Pflanzen wachsen nicht schneller, wenn man ungeduldig an ihnen zupft. Man muß das Wachsen und Reifen der Pflanzen, das seinem eigenen Gesetz folgt, abwarten. Und eben das ist Geduld. – „Geduld besteht darin, daß wir einem bestimmten Prozeß des Wachsens und Heranreifens vertrauen“ (Gabriel Marcel). Alles im Leben braucht seine Zeit. Und derjenige, der immer alles sofort haben will, der das Ergebnis nicht abwarten kann und hineinpfuscht in den Lauf der Dinge, der zerstört alles. – Umgekehrt: Wer Geduld hat, wer warten kann – im Vertrauen auf Gottes Führung und Vorsehung – der ist stark. „Alles erreicht die Geduld“, sagt die hl. Teresia von Avila.

2. Dankbarkeit

Der Garten ist dankbar. Die Mühe, die wir investieren, wird vielfach vergolten. Welche Freude schenkt uns die Natur zurück, wie geben sozusagen alle Gewächse ihr Bestes, wenn wir sie nur ein wenig pflegen.

Dankbarkeit vom Garten lernen: Daß auch wir denen, die für uns da sind, Freude zurückschenken; daß wir dort, wo wir leben, ein wenig Licht verbreiten, Sonnenschein ausstrahlen, Wärme und Güte mitteilen. Gerade unsere unterkühlte Zeit dürstet danach.

3. Sorglosigkeit

„Sorgt euch nicht um euer Leben!“(Mt 6,25)

Das ist kein Befehl. Das ist eine Einladung. Genaugenommen die Einladung unseres Lebens: Ihr braucht euch keine Sorgen um euer Leben zu machen. – Ihr könnt’s im Grunde auch gar nicht. Denn ihr könnt euch das Leben nicht selbst besorgen. Leben ist in jeder Sekunde Geschenk von Gott. Darum: Überlaßt Gott die Sorge um euer Leben! Der für die Vögel des Himmels und die Blumen auf dem Feld alles bereitstellt, wieviel mehr wird er für euch, seine geliebten Kinder, sorgen.

Gewiß, man kann den ganzen Tag mit angespannter, sorgenzerfurchter Miene durch die Gegend schleichen… Aber man ist nicht dazu verpflichtet! Das ist die „Freiheit der Kinder Gottes“, an der man eigentlich die Gläubigen von den Ungläubigen unterscheiden können müßte.

Unübertrefflich hat das Eichendorff in seinem Gedicht „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“ausgedrückt:

„Den lieben Gott laß ich nur walten,
der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld,
und Erd und Himmel will erhalten;
hat auch mein Sach aufs Best bestellt“.

Liebe Gläubige, Geduld – Dankbarkeit – Sorglosigkeit – solche Haltungen (und bestimmt noch andere) kann man in der Schule des Gartens lernen. Und wie der Gärtner, wenn er lange gebückt mit dem Erdboden beschäftigt war, sich aufatmend aufrichtet und zum blauen Himmel hinaufschaut, so wollen wir jetzt zu Gott aufschauen und ihm die Sorgen unseres Lebens und unserer Welt übergeben.

Amen.