Predigt zum Dreifaltigkeitsfest
Liebe Gläubige,
die Glaubenswahrheit vom dreieinigen Gott ist das Zentrum, die Mitte des christlichen Glaubens, aber gewiß auch das am schwersten zu erfassende Geheimnis unseres Glaubens: Ein einziger Gott, und doch drei göttliche Personen – wie das zusammenzuschauen und zu denken ist, das hat auch den großen Geistern der Kirche immer wieder Rätsel aufgegeben. Bekannt ist das Erlebnis des hl. Augustinus geworden – Augustinus, der größte Kirchenvater und Lehrer schlechthin. Er wollte ein Buch über die Trinität, De Trinitate, verfassen, aber kam damit nicht voran. Und in dieser Zeit, als er gerade dieses Buch schrieb, hatte Augustinus einen Traum: Er sieht sich im Traum am Ufer eines Meeres entlanggehen, und da bemerkt er am Meeresstrand ein Kind, das mit einer Muschel Wasser aus dem Meer schöpft und in eine Sandmulde hineingießt. Er fragt das Kind: Was machst du denn da? – Antwort: Ich möchte das Meer in meinen Teich hineinschöpfen. – Und da fällt es dem Augustinus wie Schuppen von den Augen: Genau so etwas Unmögliches versuche ja auch ich, ich will mit meinem kleinen Verstand das Geheimnis des großen Gottes fassen.
Das ist schon einmal eine erste und wichtige Erkenntnis in diesem Zusammenhang: Gott ist groß, größer, als wir es uns ausmalen können, und Gott übersteigt unendlich unseren begrenzten Horizont.
„Begriffest du Ihn, es wäre nicht Gott“. – Das ist ein Satz, den dann der hl. Augustinus geprägt hat. Und gerade das zeigt sich uns hier im Geheimnis der Dreifaltigkeit: Die Unbegreiflichkeit, das Geheimnis und die Größe Gottes. Es ist gute liturgische Tradition, sich bei jedem Lobpreis der Trinität, bei jedem „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“ zu verneigen. Wer einmal in Beuron war und dort die Liturgie miterlebt hat, der weiß, es ist sehr eindrucksvoll, wie sich die Mönche immer am Ende der Psalmen, beim „Ehre sei dem Vater“, der sogenannten Doxologie, tief verneigen – und das ist auch die von uns zuerst geforderte Antwort auf die Größe Gottes: Ehrfurcht, Anbetung, Ergebung.
Wenn wir das aber einmal begriffen haben, daß wir Gott nicht mit unserem Verstand ausrechnen können, sondern daß wir uns im Glauben Gott nähern müssen, dann kann uns schon durch die Offenbarung, durch die Heilige Schrift eine Ahnung aufgehen, was vielleicht der Sinn sein könnte dieser Glaubenswahrheit. Besonders tief geschaut wurde das Geheimnis der Dreifaltigkeit vom Evangelisten Johannes, sowohl in seinem Evangelium, als auch in seinen Briefen. Und die vielleicht wichtigste Aussage dazu findet sich in einem Satz des 1. Johannesbriefes, der sehr berühmt ist, nämlich der Satz: Gott ist die Liebe. – Wir kennen alle diesen Satz, meistens verstehen wir ihn in einem ziemlich oberflächlichen und platten Sinn, und bemerken gar nicht die Tiefgründigkeit, die damit ausgedrückt ist. Man kann nämlich sagen, daß in diesem einen Satz wohl das Wesen der Dreieinigkeit gefaßt ist: Gott ist die Liebe. Warum denn?
Nun, was heißt „Liebe“? Liebe geh t immer auf ein „Du“ hin. Liebe gibt es nur zwischen Personen. Das Wesen der Liebe ist Beziehung, ist Gemeinschaft, ist Kommunikation. Wenn es heißt, daß Gott Liebe ist, ist damit eigentlich schon gesagt, daß Gott mehr sein muß als ein einsames Ich, sondern daß es in Gott Ich und Du und Wir geben muß, daß es in Gott Gemeinschaft, Austausch, Kommunikation geben muß. Eben das, was wir dann nennen: Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Natürlich gibt es nur einen einzigen Gott, der der Ursprung aller Dinge ist – wir haben keinen heidnischen Götterolymp. Aber wir dürfen uns diese Einheit Gottes nicht armselig und dürftig vorstellen, sondern unglaublich reich und lebendig, als Leben der Liebe. Es gibt nicht nur die Einheit der Vereinzelung, sondern es gibt auch noch eine andere Einheit, es gibt die Einheit der Vereinigung, das Einssein in der Liebe. Und das ist die Einheit, die wir in Gott finden. Dreieinigkeit – dieses Wort faßt es besonders gut: die Liebeseinheit, die es in Gott gibt.
Gott ist die Liebe, die liebende Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Aus Liebe schenkt der Vater dem Sohn eine ganze Welt, die ganze Schöpfung verdankt sich der verschwenderischen Liebe Gottes. Und der Sohn kommt auf die Welt, um dieses Geschenk des Vaters anzunehmen, um Sein Erbe anzutreten. Die ganze Schöpfung und die ganze Heilsgeschichte sind mit integriert und eingeschlossen im Geheimnis der Dreieinigkeit, und was das Faszinierendste ist: Auch wir sind in Verbindung mit dem dreieinigen Leben Gottes, denn es heißt doch, daß uns der Heilige Geist gegeben ist und ins Herz gesenkt ist. Der Heilige Geist, das ist die Liebe, die Vater und Sohn verbindet. Durch den Heiligen Geist haben wir jederzeit Zugang zum Vater und zum Sohn. Oder, wie es Paulus in der heutigen Lesung in diesem wunderbaren Satz sagt: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“
Amen.