Die Kirche muß wieder betende Kirche werden

7.Sonntag der Osterzeit A (Joh 17,1-11)

Das Evangelium dieses Sonntags (Joh 17,1-11) ist ein Teil aus dem sogenannten Hohenpriesterlichen Gebet Jesu, aus jenem feierlichen Gebet, das Jesus in der Stunde des Letzten Abendmahls für seine Jünger und für alle, die an ihn glauben, spricht. „Jesus erhob seine Augen zum Himmel und betete“. Er hält ein Zwiegespräch mit dem Vater, und zwar ein sehr inniges, vertrautes: „Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein“. Jesus ist vollkommen eins mit seinem Vater, eines Sinnes, eines Wesens. Er ist wirklich der Sohn Gottes, der vom Vater gesandt wurde, die Welt zu erlösen.

Liebe Gläubige, Christus betet. Das ist durchaus ein Punkt, über den es sich nachzudenken lohnt. Christus war ein großer Beter, ein Mann des Gebets. Schon der zwölfjährige Knabe bleibt drei Tage im Tempel, im Haus Gottes: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist?“ Auch später zieht er sich immer wieder, manchmal die ganze Nacht lang, zurück, um zu beten, auf einen Berg, so heißt es, an einen einsamen Ort: Das Gebet, die Zwiesprache mit dem Vater ist die Quelle, aus der er lebt und wirkt. Er betet vor wichtigen Entscheidungen, vor der Berufung der ersten Jünger zum Beispiel. Er betet auch in der dunkelsten Stunde seines Lebens, in der Ölbergnacht: „Er kniete nieder und betete: Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir. Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Das letzte Wort seines Lebens ist noch ein Gebet und zwar ein Psalmgegebet, Worte aus dem 22. Un d dem 31. Psalm: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“.

Christus hat gebetet, er hat aus dem Gespräch mit Gott, seinem Vater gelebt. Und genau diese Haltung des Gebets, der innigen Gottverbundenheit, hat er auch seinen Jüngern immer wieder ans Herz gelegt: „Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden;klopft an, dann wird euch aufgetan. Wenn schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wieviel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten“.

Daß die Jünger diese Aufforderung sehr ernst genommen hätten, daß sie von Haus aus große Beter gewesen wären, kann man nicht behaupten. Nicht einmal in der Stunde des Abschieds am Ölberg können sie sich zum Gebet für ihren Herrn aufraffen: es fallen ihnen vor Müdigkeit die Augen zu. Geändert hat sich das erst später, nach der Auferstehung. Da endlich gehen ihnen die Augen auf, und sie verstehen den Herrn. In Jerusalem im Obergemach, d.h. im Saal des Letzten Abendmahls sehen wir die Apostel um Maria versammelt und „alle verharrten dort einmütig im Gebet“(Apg.1,14).

Die betende Kirche steht am Anfang des Christentums„, sagt dazu Romano Guardini. Und es erfüllt sich dieser betenden Kirche die Verheißung Jesu, der Vater werde denen, die ihn bitten, den Heiligen Geist schenken. Pfingsten, die Ausgießung des Gottesgeistes ist die Antwort des Vaters auf das einmütige Gebet der Gläubigen.

Ich glaube, was die Kirche am Anfang war, betende Kirche, das müßte sie auch heute wieder werden. Der Bischof von Trier, Hermann Josef Spital, hat dazu einmal Bedenkenswertes gesagt: „Die vielbeklagte Krise der Kirche in unserem Land besteht meiner festen Überzeugung nach in nichts anderem als darin, daß wir das Beten verlernt haben. Die Krise gründet nicht in irgendwelchen Strukturen und auch nicht darin, daß angeblich veraltete Vorstellungen weitergegeben werden…Die Krise der Kirche gründet darin, daß wir das Beten verlernt haben. Darin aber liegt zugleich ein Zeichen der Hoffnung. Denn diese Krise können wir selbst überwinden. Das Gebet wieder aufnehmen, das hindert uns keiner, wenn wir es nur wollen“.

Das Gebet wieder aufnehmen. Es wieder lernen, mit Gott zu leben, im Gespräch mit Gott zu leben. Aus der Gottverbundenheit heraus leben, wie Jesus es uns vorgelebt hat. Spirituelle Menschen sein: Menschen des Gebets sein, und auch betende Gemeinde, betende Kirche sein. Darauf käme es an. Davon kommt die Heilung für unsere Kirche. Und nicht von Pastoralkonferenzen, Papieren und Planungen. Und auch unsere so im argen liegende Welt bräuchte diesen Dienst des Gebets. Was Reinhold Schneider am Vorabend des 2.Weltkrieges schrieb, scheint wie auf unsere heutige Situation gemünzt zu sein:

Allein den Betern kann es noch gelingen,
Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten
Und diese Welt den richtenden Gewalten
Durch ein geheiligt Leben abzuringen.

Denn Täter werden nie den Himmel zwingen:
Was sie vereinen, wird sich wieder spalten,
Was sie erneuern, über Nacht veralten,
Und was sie stiften, Not und Unheil bringen.

Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt,
Und Menschenhochmut auf dem Markte feiert,
Indes im Dom die Beter sich verhüllen.

Bis Gott aus unsern Opfern Segen wirkt
Und in den Tiefen, die kein Aug entschleiert
Die trocknen Brunnen sich mit Leben füllen.