Die große Befreiung

Predigt in der Osternacht

Zur Feier der Auferstehung des Herrn versammelte Gläubige!

Die Feier der Osternacht ist  liturgisches Urgestein. Hinter dieser Liturgie stehen Jahrhunderte, ja Jahrtausende.
Die Wurzeln reichen zurück bis in den Alten Bund, in die Paschafeier des Volkes Israel. Pascha ist das zentrale jüdische Fest. – Das Gedenken an die Nacht der Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens, als der Todesengel an den Türen der Israeliten vorbeiging, weil sie mit dem Blut des Lammes bezeichnet waren, und als dann Mose das Volk mitten durch das Rote Meer in die Freiheit führte.
Die Juden begehen das Paschafest immer am 14. Nissan , das ist die erste Vollmondnacht im Frühjahr (also nach dem 21. März). Und davon leitet sich dann auch jedes Jahr der Ostertermin ab; es ist immer der Sonntag in der Pascha-Woche, der Sonntag also nach dem ersten Frühlingsvollmond. Wenn die Nacht heute sternenklar ist, können Sie auf dem Heimweg den Ostervollmond am Himmel stehen sehen.
Warum feiern wir Ostern zeitgleich mit dem jüdischen Pascha? Weil Jesus Christus am Sonntag in der Pascha-Woche des Jahres 30 von den Toten auferstanden ist.

Christus ist unser Paschalamm. „Durch sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden“, sagt Paulus (Eph 1,7 ). Christus ist zugleich der neue Mose. Er führt die Seinen heraus nicht nur aus der Knechtschaft Pharaos, sondern aus der Knechtschaft des größten Tyrannen aller Zeiten: des Todes.
Christus hat den Tod auf sich genommen, „um den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel, und um die zu befreien, die durch die Furcht vor dem Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen waren“. So heißt es im Hebräerbrief (Hebr 2,15).

Das ist die Befreiung, die die Kirche in der heutigen Nacht feiert: die Befreiung vom Tod und von der Angst vor dem Tod. Wir Christen können unsern Frieden machen mit dem Tod. Der Tod hat für uns seinen Schrecken verloren. Er hat nicht mehr das letzte Wort. Christus, der Sieger über den Tod, hat das letzte Wort!

Darum das dreifache Osterhalleluja, darum der überschwängliche Hymnus auf das Licht in dieser Osternacht, das Exsultet, darum die ganze festliche Liturgie dieses Abends.

Liebe Gläubige, am Beginn des 3. Jahrtausends sind die bekennenden Christen zur Minderheit geworden, auch im christlichen Abendland. Die Mehrheit gehört zwar nominell immer noch zur Kirche, aber nur eine Minderheit der Kirchenmitglieder bejaht auch den Glauben der Kirche. So glauben nach einer aktuellen Umfrage nur 40% der Katholiken und gar nur 20% der Protestanten an die Auferstehung und das ewige Leben (wobei mir schleierhaft ist, was Christentum ohne diesen Glauben eigentlich  soll!)
Umso wichtiger ist das, was wir in dieser Osternacht tun; dass wir uns unseres gemeinsamen Glaubens vergewissern, uns aufs neue dazu bekennen bei der Erneuerung des Taufbekenntnisses (jetzt im Anschluss an die Predigt), dass wir uns scharen um unseren Herrn und Retter, Jesus Christus, den Auferstandenen.
Die Kerzen, die wir an der Osterkerze entzündet haben, symbolisieren das Licht des Glaubens und der Hoffnung, das uns geschenkt ist.
Tragen wir dieses Licht weiter. Lassen wir es nicht ausgehen, sondern hell aufleuchten. – Vielleicht verbreitet es sich einmal wieder, ähnlich wie das Licht der Osterkerze sich in der Kirche verbreitet hat.  Mögen doch viele, die in einer Welt ohne Glauben und ohne Hoffnung dahinvegetieren, zum Licht der Welt finden, das sei unser Anliegen in dieser Osternacht.

Amen.