Predigt zum Rosenkranzfest (Lk 1,26-38)
Das Rosenkranzfest (7. 10.) steht am Anfang des Rosenkranzmonats Oktober. Neben dem Marienmonat Mai ist auch der Oktober in besonderer Weise der Gottesmutter geweiht. Im Mai werden die marianischen Maiandachten gehalten, und der Oktober ist von Alters her geprägt durch das Rosenkranzgebet.
Was hat es mit dem Rosenkranz auf sich? Woher kommt dieses Gebet und was kann es uns heute bedeuten?
Es gibt eine Legende aus dem 13. Jahrhundert mit dem Titel „Der Mönch und die Rosenkränze“. Im Hochmittelalter war es üblich geworden, Bilder und Statuen Mariens mit Blumenkränzen zu schmücken, vor allem mit Kränzen aus Rosen. – Die Rose – ein uraltes Symbol der Völker – galt als das vornehmliche Sinnbild Marias. Die Königin im Blumenreich steht für die Königin aller Heiligen. Darum wird Maria in der Lauretanischen Litanei angerufen als „Rosa Mystica“, darum zeigen so viele Gemälde die Jungfrau mit dem Jesuskind “ im Rosenhag“, im lieblichen Rosengarten. Dies führt nun zur Legende hin. Sie erzählt, daß in einer Stadt ein Student lebte, der ein ausschweifendes, liederliches Leben führte und nur eine einzige gute Gewohnheit hatte: der Gottesmutter jeden Tag einen Kranz aus frischen Blumen – oder was es sonst jahreszeitlich gab – zu binden und ihr Bild damit zu schmücken. Eines Tages verleidete dem jungen Mann die Welt und er beschloß, in den Orden des hl.Bernhard, den Zisterzienserorden einzutreten. Nur eines bedrückte ihn dabei: Daß er in Zukunft nicht mehr die Möglichkeit haben würde, auf den Feldern Blumen zu sammeln und Maria damit zu ehren. Da riet ihm ein alter Mönch, den Kranz von Blumen zu ersetzen durch einen Kranz von Gebeten:
„Willst du der Königin Marien
täglich in edlen Sachen
ein Rosenkränzlein machen
und das mit Lobe zieren,
so sollst du ordinieren
daß du über deine Tage Zeit
immer spechest da
fünfzig Ave Maria.
Damit ist die Reihe ganz.
Und wisse, daß sie diesen Kranz
für Lilien und für Rosen nimmt“.
Jedes „Ave Maria“ eine Rose für die Himmelskönigin.
So weit die Legende. Was sagt die Geschichte?
Das Rosenkranzgebet in seiner heutigen Form wurde seit dem 13. Jahrhundert vor allem von den Dominikanern verbreitet (man denke an das beliebte Bildmotiv: „Maria reicht dem hl. Dominikus den Rosenkranz“) und später von den Jesuiten. Beide Orden widmeten sich der Volksmission, der Verbreitung und Erneuerung des katholischen Glaubens im Volk, und der Rosenkranz war ihnen dabei ein Hauptmittel. Wo die Jesuiten seelsorgerisch tätig waren, gründeten sie „Rosenkranzbruderschaften“ oder „Marianische Kongregationen“, deren Mitglieder sich zum regelmäßigen Rosenkranzgebet verpflichteten. Mancherorts bestehen diese Gemeinschaften noch heute. Diese historischen Fakten sind nicht uninteressant. Wenn wir uns heute fragen, wie wir den Glauben ins nächste Jahrtausend hinübertragen, wie wir den „Missionskontinent Europa“ (Papst Johannes Paul II.) neuevangelisieren können, dann sollten wir von den Erfahrungen früherer Generationen lernen und uns auf die segensreiche Wirkung des Rosenkranzgebets aufmerksam machen lassen. – Heute schon ist bei der Neuevangelisierung Osteuropas die Verbreitung des Rosenkranzes eines der wirksamsten Mittel.
Natürlich gibt es Einwände gegen den Rosenkranz. Der Rosenkranz sei langweilig, lautet die verbreitete Klage. Er sei ein monotones Leiern, ein gedankenloser Sprechgesang. So schnell, wie da gebetet werde, könne man gar nicht mitdenken. – Das ist durchaus richtig beobachtet. Tatsächlich geht es beim Rosenkranz nicht in erster Linie ums Mitdenken. Dies ist aber kein Mangel, sondern vielmehr das Wesen dieses Gebets: Der Rosenkranz ist eine Form von Meditation; er ist ein meditatives Wiederholungsgebet, wie wir es in ähnlicher Form auch in anderen Religionen kennen (man denke zum Beispiel an die Mantra-Meditation im Hinduismus, welche auf der unablässigen Wiederholung des heiligen Worts – des mantras – beruht). Im gleichmäßigen Gebetsrhythmus des Ave Maria kreisen wir um die Geheimnisse des Glaubens, um die Menschwerdung Christi, sein Leiden, seine Auferstehung. Die Gedanken des Alltags werden dabei immer wieder kommen und gehen; sie bleiben aber an der Oberfläche des Bewußtseins. In der Tiefe sind wir im Raum der Anbetung.
Formen einer kontemplativen Spiritualität werden heute gesucht. Viele suchen im Zen-Buddhismus, im Yoga. Dabei gilt auch hier das Goethewort: „Sieh, das Gute liegt so nah!“ Wir könnten in unserer eigenen Religion Schätze heben, die längst für uns bereitliegen. Vielleicht greift diese Erkenntnis einmal wieder unter den Christen um sich…
„Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ (Lk 1,28). Diesen Gruß des Engels Gabriel beten wir in jedem „Gegrüßet seist du, Maria“. (Woran wir sehen, daß der Rosenkranz ein genuin biblisches Gebet ist.) Maria spielt eine tragende Rolle im Rosenkranzgebet. Sie ist nicht das Zentrum – das ist Christus. Sie ist aber in diesem Gebet der Weg, der uns zum Zentrum führt. Viele Menschen sind auf diesem Weg weit gekommen; haben mit Maria und dem Rosenkranz gute Erfahrungen gemacht, nicht zuletzt in schweren Zeiten. Versuchen wir es doch auch einmal mit Schritten auf diesem Weg. Klein anfangen. Hin und wieder ein oder zwei Gesetze. Vielleicht auf langen Autofahrten. Vielleicht an langen Abenden. Vielleicht in schlaflosen Nächten. Immer, wenn man Zeit hat, die man totschlagen könnte – diese mit Geist, mit Leben füllen.
Amen.
Anmerkung
Die Rosenkranzlegende habe ich dem lesenwerten Buch von Hermann Kirchhoff „Grundgebete der Christen“ (Kösel-Verlag , München 1998) entnommen.