Der Fels in der Brandung

Predigt zum 9. Sonntag im Jahreskreis A
(Mt 7, 21-27)

„Der Fels in der Brandung“ – mit diesem Slogan wirbt eine Versicherung in Baden-Württemberg um Kunden. – Mit Erfolg.
Neulich erzählte mir eine Angestellte der Versicherung, dass durch diesen Werbeslogan der Umsatz merklich in die Höhe gegangen ist.
Man hat den Nerv der Zeit getroffen mit dem Versprechen: „Der Fels in der Brandung“. Die Menschen suchen anscheinend nach so etwas wie einem Felsen in der Brandung, nach etwas, woran sie sich halten können, worauf sie ihr Leben bauen können, was ihnen Sicherheit gibt in guten und schlechten Zeiten.
Die Frage ist nur, ob ein monatlicher Versicherungsbeitrag das wirklich sein kann: der Fels in der Brandung, die Basis der Existenz. – Wer das allen Ernstes meint , der ist leider falsch verbunden, und der wird einmal ein ganz böses Erwachen erleben, wenn es wirklich mal hart auf hart kommt, wenn ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wird, wenn „die Wassermassen heranfluten, die Stürme toben und an seinem Lebenshaus rütteln“ (Mt 7,27).

Liebe Gläubige, wo es um so existentielle, um so lebenswichtige Fragen geht wie: „Worauf baue ich mein Leben?“ – da reicht es nicht, blind der Werbung zu glauben – da ist schon ein wenig tiefergehendes Nachdenken erfordert. Wobei die Versicherung – und das habe ich auch der Angestellten gesagt – die sich „der Fels in der Brandung nennt“, mit religiösen, mit biblischen Verheißungen spielt.
Denn in der Bibel ist „der Fels in der Brandung“ niemand anders als Gott selbst. – Oft und oft wird Gott in der Heiligen Schrift so genannt: „Preist die Größe unseres Gottes! Er heißt: Der Fels (Dtn 32,4). Oder in den Psalmen, zum Beispiel im Psalm 31, dem Antwortpsalm des heutigen Sonntags: „Herr, ich suche Zuflucht bei dir. Sei mir ein schützender Fels, eine feste Burg, die mich rettet. Denn du bist mein Fels und meine Burg“ (Ps 31,2-4). – „Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter, mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge“, so betet David im 18. Psalm, und im Psalm 73 heißt es: „Gott ist der Fels meines Herzens und mein Anteil auf ewig“.

Erlauben Sie mir eine Zwischenbemerkung: Es geschieht in letzter Zeit immer häufiger in der Werbung, dass die Religion, die Bibel ausgebeutet wird für billige Sprüche. Um nur ein besonders ärgerliches Beispiel zu nennen, das Plakat mit dem riesigen Bierglas und der Überschrift: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. – Sie wissen, wie dieser Satz in der Bibel weitergeht: „sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“. Das wird jetzt ersetzt durch den Bierhumpen. – Ein Symptom für den Niedergang unserer Gesellschaft. Es gibt keinen Respekt mehr vor dem Heiligen.

Ja, an was halten wir uns nun? An die Bibel – oder an die Werbung? Ist Gott mein Fels in der Brandung – oder die Versicherung?
Viele, allzu viele Zeitgenossen entscheiden sich für das Falsche. Denn – so hat der Theologe Romano Guardini festgestellt – „an die Stelle des biblischen Vorsehungsglaubens ist das moderne Versicherungswesen getreten“.
Das Verlangen nach Sicherheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Im Grunde spürt jeder, wie gefährdet das Leben ist und wie zerbrechlich das Glück.
Der Glaube sagt uns: „Mach dich in Gott fest!“ – Das ist die Grundbedeutung von „glauben“ (nach dem hebräischen „aman“): sich in Gott festmachen.
Wer das tut, sagt Jesus, ist klug (Mt 7,24). Er baut sein Lebenshaus auf Fels, er wird alle Erschütterungen und Enttäuschungen – die niemandem erspart bleiben – bestehen können, und er wird sogar den Tod überstehen – denn Gott ist ein „ewiger Fels“ – er trägt in dieser und in der anderen Welt.

Töricht, zutiefst unvernünftig dagegen der Mensch, der auf irgendetwas anderes als Gott baut; Geld, Besitz, Versicherung, Beruf, was immer es ist – er hat auf Sand gebaut. Denn alles Irdische ist vergänglich und bietet keinen letzten Halt.
Die Gläubigen sind also – nach dem Wort Jesu – kluge Menschen.
Die Ungläubigen dagegen dumm.
Merken wir uns das. – Denn meist wird es ja gerade umgekehrt dargestellt: „Wer glaubt, ist schön dumm“. Nein, dumm ist, wer nicht glaubt, wer meint, besser ohne Gott zu leben.

Liebe Gläubige, ich wundere mich oft, wie leicht viele Menschen von heute, die sich selbst für so modern, so fortschrittlich und mündig halten, wie leicht sie sich für dumm verkaufen lassen. – Wie sehr sie sich vom Zeitgeist, von der Werbung, von den Medien fremdsteuern lassen.
Trotzdem: geben wird die Hoffnung nicht auf und helfen wir – jeder in seinem Umkreis nach Kräften – dass doch noch manch einem ein Licht aufgeht, bevor die Stürme losbrechen.

Amen