27. Sonntag im Jahreskreis B (Mk 10,2-16)
Das Thema, das heute im Evangelium verhandelt wird, die Ehe, spielt in der Verkündigung Jesu eine große Rolle. Wiederholt und mit Nachdruck kommt er darauf zu sprechen und hebt sich von den Auffassungen seiner Zeit ab. Vor allem betont er die Unauflöslichkeit der Ehe. – Während im Judentum Scheidungen möglich waren, lehrt Jesus: „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mk 10,9).In diesem Satz ist vorausgesetzt, dass Gott es ist, der in der Ehe Mann und Frau zusammenschließt, so dass sie „ein Fleisch werden“ (Mk 10,8), also eine neue, organische Einheit bilden. Wenn aber Gott verbunden hat, dann kann auch nur Gott wieder lösen. Die Ehe, die in Gott geschlossene Ehe, ist also weit mehr als nur eine zwischenmenschliche Vereinbarung – eine x-beliebige Partnerschaft oder „Beziehung“; sie beruht auch nicht nur auf einem juristischen Vertrag. Sie ist ein heiliger Bund, eine nicht nur natürliche, sondern übernatürliche Verbindung.
Der Apostel Paulus sieht im Ehebund ein Abbilddes Bundes zwischen Christus und der Kirche: Wie Christus die Kirche geliebt hat und sich für sie hingegeben hat, so sollen auch Mann und Frau in der Ehe einander lieben – mit einer hingabebereiten, treuen und vor allem vergebenden Liebe. – „Dies ist ein großes Geheimnis“, sagt er, ein „sacramentum magnum“ (Eph 5,32). Die christliche Ehe ist ein Sakrament, ein Geheimnis des Glaubens und der Liebe.
Sie hat eine hohe Würde und eine hohe Berufung: Die Liebe Christi abzubilden, sichtbar, konkret werden zu lassen in dieser Welt , im Zusammenleben der Eheleute mit ihren Kindern und ihrer Familie.
Wenn wir dieses christliche Ehe-Ideal anschauen, so scheint es weit entfernt zu sein von der Realität der Ehe in unserer Zeit. Die Ehe ist ja in der Krise. Vom „Auslaufmodell“ wird (in den Medien) gesprochen; der heutige Mensch könne und wolle sich nicht mehr ein Leben lang binden; er sei bindungsscheu und möchte sich höchstens auf Zeit binden an wechselnde „Lebensabschnittspartner“, wenn ihm nicht überhaupt das Single-Dasein das Liebste ist. Außerdem seien die klassischen Rollen des Ehemanns und der Ehefrau (und Mutter) fragwürdig geworden und würden als „altmodisch“ angesehen.
Wenn man die Statistiken anschaut, scheint es wirklich so zu sein.
Die Zahl der Eheschließungen geht konstant zurück. Besonders dramatisch ist das bei den kirchlichen Trauungen. Gab es 1970 noch 210000 kirchliche Eheschließungen in Deutschland, so waren es dreißig Jahre später (1999) nur noch 69000. – Ein Rückgang um zwei Drittel…
Nichteheliches Zusammenleben wird als etwas ganz Normales betrachtet – bis in gut-katholische Kreise hinein.
Dann die ernorme Zahl an Scheidungen: Ein Drittel der Ehen wird geschieden, in Großstädten die Hälfte. Während das juristisch kein (größeres) Problem ist, bleibt menschlich oft ein Scherbenhaufen zurück, wobei wir auch an die betroffenen Kinder, die Scheidungswaisen denken müssen.
Für die wird es besonders schwer, wenn die Eltern neue Beziehungen eingehen, und die Kinder mit neuen Eltern und Geschwistern zusammenleben müssen, in – wie es so schön heißt – „Patchworkfamilien“. Der unvergessene Erzbischof Johannes Dyba brachte das so auf den Punkt:
„Früher hatten Eltern vier Kinder, heute haben Kinder vier Eltern“…
Hier tut sich ein weiteres Problemfeld auf: Ehe und Elternschaft. – Zu allen Zeiten und in allen Kulturen war es den Menschen klar, dass man heiratet, um eine Familie zu gründen. Nicht so im Deutschland des Jahres 2006. Fünfzig Prozent aller Ehen sind kinderlos. Manchmal gewiß ungewollt. Aber meistens bewußt. Dass es die wichtigste und schönste Berufung der Ehe ist, das Leben weiterzugeben, dass dies auch der Grund ist, warum die Ehe von der Verfassung geschützt und privilegiert wird, das sehen viele nicht mehr.
Die Folgen der Kinderarmut für die ganze Gesellschaft werden so langsam bewußt. Die Deutschen sind ein vergreisendes und auf lange Sicht sterbendes Volk.
Ja, Ehe und Familie sind in der Krise. – Und liegt es nicht im Grunde und ganz entscheidend daran, dass man sich zuvor vom Christentum verabschiedet hat? Von den Werten und Idealen der christlichen Ehe? Da liegt der Krankheitsherd und hier müsste die Therapie ansetzen.
Ich bin überzeugt: Wenn eine Lebensform Zukunft hat, dann ist es die christliche Ehe, die bewußt christliche Ehe. Die Ehe, die gegründet ist auf den Prinzipien der Treue, der Unauflöslichkeit und der Elternschaft. Die Ehe, die Sakrament ist; in der Mann und Frau nicht nur aufeinander bauen, sondern auf Gott. Wo sie sich vor Gott verantwortlich, aber auch von Gott getragen wissen in guten und schlechten Tagen, in Gesundheit und Krankheit.
Dieses Fundament trägt. Und wenn das wahr ist, dann hieße das bei der Partnersuche nicht nur auf Einkommen und Aussehen und gemeinsame Sportaktivitäten achten, sondern auch und vor allem: auf den Glauben. – „Wie hältst Du’s mit der Religion?“ – das ist wirklich die Gretchenfrage.
Da entscheidet sich, ob Ehe und Familie von Anfang an auf ein tragfähiges Fundament gebaut werden – oder nicht. Sagen wir das den jungen Leuten weiter. Lassen wir sie nicht auf Holzwege tappen. Laden wir sie ein, auf das Evangelium zu setzen. Es bewahrheitet sich nämlich immer wieder, was Jesus am Schluss der Bergpredigt sagt (Mt 7,24-27): Wer meine Worte hört und danach handelt – und dazu gehört auch die Weisung über die Ehe – gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baut. Und wenn die Stürme kommen und am Lebenshaus rütteln: Es wir nicht einstürzen, denn es ist auf Fels gebaut.
Amen