Aufbruch um Mitternacht

Predigt in der Heiligen Nacht

Es war Mitternacht, als Jesus, der Sohn Gottes, in Bethlehem in Judäa geboren wurde. „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da stieg dein allmächtiges Wort, o Herr, vom Himmel herab, vom königlichen Thron“. So wird im Buch der Weisheit die Stunde des Heils prophezeit (Weish 18,14-15).
Mitternacht – eine wichtige Stunde. Im Evangelium spielt sie immer wieder eine Rolle. Etwa, wenn Jesus das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen erzählt. Die sollen den Bräutigam mit einem Lichterzug empfangen. Er lässt aber auf sich warten. Erst um Mitternacht ertönt der Ruf:
„Der Bräutigam kommt, geht ihm entgegen!“
Die dummen Jungfrauen aber verschlafen seine Ankunft (Matth 25,1-13).

Auch in Bethlehem und im nahen Jerusalem verschliefen fast alle die Ankunft des Messias. Nur die wenigen, die in dieser Nacht wach blieben, durften Zeugen der Sternstunde der Menschheitsgeschichte werden.
Das waren die Hirten draußen auf den Feldern vor Bethlehem. „Die hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Das trat der Engel des Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie“ (Lk 2,8).
Man darf die Stunde des Heils nicht verschlafen. Wachbleiben in der Nacht und dann Aufbruch in der Nacht – das gehört wesentlich zur Heiligen Nacht.
So sind auch Sie, liebe Gläubige, heute abend aufgebrochen.
Obwohl es daheim gemütlich war, obwohl Sie vielleicht schon müde waren, obwohl gerade ein gutes Fernsehprogramm lief, obwohl andere sagten: „Bleib doch da“. – Sie haben sich aufgemacht hinaus ins Dunkle, um das Licht in dieser Heiligen Nacht zu finden: Jesus, das Licht der Welt.
Ohne ihn, ohne den Sohn Gottes, ist ja Weihnachten sinnlos, bleibt das ganze Feiern letzlich leer und öde.

Liebe Mitchristen, in unserem Land hat sich seit einigen Jahren ein Gift breitgemacht, heimlich, still und leise: das süße Gift der Bequemlichkeit. Das süße Gift, das da heißt: „ Das läuft auch ohne mich; da sollen sich andere drum kümmern; das ist mir zu unbequem; dazu hab ich keine Lust….“
Und plötzlich sehen wir unseren Staat krank und unsere Wirtschaft krank. Und es schwant uns: Die fetten Jahre sind vorbei. – Die Reserven sind verbraucht, es geht ans Eingemachte.
Denn es geht auf Dauer nicht ohne den Einsatz, ohne die Anstrengung, ohne die Opferbereitschaft, ohne den Idealismus jedes Einzelnen an seinem Platz.
Und ähnliches gilt auch für den Glauben, unsere Religion.
Auch hier heißt doch das Motto schon seit vielen Jahren: „Wir machen es uns immer bequemer“. – Frage: Hat uns dieser Weg weitergebracht? Hat uns dieser Weg näher zu Gott gebracht, näher zur Quelle des Lebens?
Nein: Der Weg zur Quelle führt gegen den Strom, sagt ein Sprichwort.
Und die große Kirchenlehrerin Teresa von Avila rät uns: „Von zwei Möglichkeiten ist meistens die unbequemere die richtige“.

Liebe Gemeinde, bald beginnt ein neues Jahr des Herrn.
Gott, der Herr unseres Lebens, gibt uns dieses Jahr zu treuen Händen. – Was werden wir aus diesem neuen Jahr machen?
Werden wir es nützen auch für unsere Seele, für unser Seelenheil?
Gott schenkt uns an Weihnachten seinen Sohn. Er schenkt uns das Liebste, was er hat. Und wer dieses Geschenk, wer diesen Jesus im Glauben annimmt, bekommt damit alles, war er braucht in Zeit und Ewigkeit.
Nun ist es ein Bedürfnis des Menschen, dem, der mir etwas schenkt, auch etwas zurückzuschenken.
Vom Stern geleitet kommen die Weisen aus dem Morgenland und bringen dem göttlichen Kind kostbare Gaben: Gold, Weihrauch, Myrrhe.
Möchte ich Gott, meinem Schöpfer, möchte ich Jesus, meinem Erlöser, nicht auch etwas schenken? Möchte ich ihm nicht die Ehre geben?

Schenken wir ihm heute in dieser Heiligen Nacht den Vorsatz:
„Du mein Gott, bist mir wichtig. – Und du sollst mir in Zukunft noch wichtiger sein. Ich will dir mehr Raum geben in meinen Gedanken, in meiner Zeit, in meinem Leben, im kommenden Jahr. – Du bist mir mehr wert als meine Bequemlichkeit.“
Wenn wir diesen Vorsatz heute zum göttlichen Kind bringen, dann wird uns diese Heilige Nacht zum Segen werden.

Amen.