Predigt zum 12. Sonntag im Jahreskreis B
(Mk 4, 35-41: Der Sturm auf dem See)
„Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ (Mk 4, 40)
Diese Frage Jesu gilt auch uns. Denn es wird kaum einen unter uns geben, der nicht die Angst kennt. Der nicht manchmal von Ängsten heimgesucht wird, der vom Dämon Angst geplagt und in die Mangel genommen wird, so dass es eng wird (das Wort“Angst“ kommt von „Enge“).
Bei den Ängsten, die uns befallen, geht es um die unterschiedlichsten Dinge: Angst vor der Zukunft – zum Beispiel vor dem nächsten Tag; Angst vor Niederlagen und Misserfolgen; Angst vor Krankheit, vor Einsamkeit, vor feindseligen Zeitgenossen; Angst in Form eines unbestimmten Gefühls der Bedrohung.
Im Kern sind alle Ängste in einer Ur-Angst verwurzelt: in der Todesangst.
Jede Angst ist Angst vor dem Verlust an Leben.
Angst vor dem Untergang hatten die Jünger im Boot – und keine unbegründete. Die Wellen schlagen schon ins Boot, jeden Augenblick kann es kentern. – Kein Wunder, dass Petrus um Hilfe schreit.
Und trotzdem rügt Jesus die Apostel. „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr keinen Glauben?“
Obwohl die Situation objektiv gefährlich und dramatisch ist, beweist die Todesangst der Jünger („Wir gehen zugrunde!“) ihren mangelnden Glauben an Christus. Sie müßten doch wissen: Wenn Christus mit im Boot ist, können sie nicht untergehen!
Dass die Diagnose „Kleinglaube“stimmt, beweist auch der Schluss des Evangeliums: da zeigen sich die Jünger ganz fassungslos darüber, dass Jesus Macht über die Elemente hat. Sie haben also noch gar nicht realisiert, wer da mit ihnen im Boot ist, dass es der Herr ist.
Liebe Gläubige, auch für uns gilt: Unsere vielen Ängste und Sorgen sind Symptom für unseren Kleinglauben. An der Art, wie wir uns ängstigen – oder nicht, können wir ablesen, wie es um unsern Glauben in Wahrheit bestellt ist.
Glauben wir wirklich, dass Jesus der Herr ist, dem alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist? Glauben wir, dass er der Herr auch unseres Lebens und unserer Zukunft ist? Wissen wir uns im selben Boot mit ihm und sind wir darum sicher, dass uns nichts passieren kann? Auch wenn die Wogen einmal hochgehen, und der Wind uns um die Ohren pfeift, wenn es dramatisch wird und wir einmal nicht mehr alles unter Kontrolle haben?
Sicher, ganz werden wir die Angst nicht aus unserm Leben verbannen können. Sie gehört einfach zur „condition humaine“, zu den Grundbedingungen des sterblichen Menschen. Auch Jesus weiss darum, wenn er im Johannesevangelium sagt: „Solange ihr in der Welt seid, habt ihr Angst.“ (Joh 16,33 – „Aber fürchtet euch nicht: Ich habe die Welt überwunden“, fügt er hinzu.)
Wir sollten jede Angst als Bewährungsprobe unseres Glaubens verstehen: Dass sich immer wieder neu der Glaube stärker erweist als die Angst. Dann hätte die Angst sogar etwas Positives, weil wir an jeder bestandenen Angst stärker werden und wachsen.
Ganz konkret hieße das: Statt zur Beruhigungspille greifen und zum Tranquilizer, es mit dem Glauben probieren. Den Herrn bitten: Hilf mir!
Wer weiß, ob sich dann nicht mancher Sturm in der Seele legt und plötzlich völlige Stille eintritt?
Die Jünger im Boot, im Schifflein des Petrus, das ist seit jeher auch ein Bild für die Kirche und das Schicksal der Kirche.
Schweren Seegang hat die Kirche gerade in unseren Tagen zu bestehen, da gibt es schon feindliche Elemente, die die Kirche am liebsten zertrümmern möchten.
Aber diese Anfeindung von Außen (die notwendigerweise zur Kirche gehört, weil es ihr nicht besser gehen darf als ihrem Herrn, der sich auch unbeliebt gemacht hat), ist noch nicht das Schlimmste. Am besorgniserregendsten ist es, wie es im Schiff Petri selber aussieht. Die Zerstrittenheit und Uneinigkeit im Innern, der innere Glaubensabfall, die Selbstzerstörung der Kirche: das ist die größte Not!
Theologen, die die Jungfrauengeburt, die Wunder Jesu und seine Auferstehung zu frommen Märchen erklären; oder die wortgewandt darlegen, das Priestertum und die Sakramente der Kirche seien unbiblische Irrtümer der Geschichte; Kirchenfunktionäre, die zu jeder Äußerung des Papstes postwendend das Gegenteil verkünden; Pfarrer und Laien, die ihren Gemeinden selbstgebastelte Gottesdienste zumuten und um die universale Liturgie der Kirche betrügen; sie alle betreiben – ob es ihnen bewußt ist oder nicht – das Werk der Selbstzerstörung des Glaubens.
Es ist ein unumstößliches Gesetz: „Wenn ein Reich in sich selbst gespalten ist, kann es keinen Bestand haben“ (Mk 3, 24). Und Nietzsche legt den Finger auf den wunden Punkt, wenn er hämisch prophezeit: „Wenn die Kirche untergeht, dann nicht wegen ihren Feinden, sondern wegen ihren Theologen…“
Liebe Mitchristen, es kann einem Angst und Bange um die Zukunft der Kirche bei uns werden. Und dennoch dürfen wir nicht den Mut verlieren! Auch diese Krise müssen wir als Bewährungsprobe des Glaubens begreifen.
Die Kirche kann nicht untergehen, weil Christus das Haupt der Kirche ist. Sie wird nicht von ihren Feinden überwältigt werden, weil Jesus der auf den felsen Petri gegründeten Kirche Unüberwindlichkeit verliehen hat (Matth 16, 18). Die Kirche hat Zukunft, nicht weil wir so überzeugende Christen wären, sondern weil Christus die Zukunft der Kirche ist. Und weil er sich sein Werk von niemandem zerstören lassen wird.
Dieser Glaube steht gegen die Angst vor dem Untergang. Und er kann zu einem beherzten „Jetzt erst recht!“ befreien.
„Christus braucht hochherzige Mitstreiter“. – Nach dieser Maxime gründete einst der Hl. Ignatius von Loyola in einer ähnlich notvollen Zeit der Kirche (der Zeit der Glaubensspaltung) mit einer Handvoll Getreuen seine „Compania di Jesu“, den Jesuitenorden.
Auch heute braucht Christus nicht solche Jünger, die sich ängstlich, resigniert oder gleichgültig auf die Zuschauertribüne zurückziehen, sondern solche, die sich einsetzen, wo immer sie können. Die – jeder an seinem Platz – das Wasser aus dem Schiff schöpfen und Lecks stopfen. Die den Steuermann – Petrus in Person des Papstes – unterstützen. Die, ob gelegen oder ungelegen, für die Wahrheit eintreten (2 Tim 4,2). Die ihre Talente für das gute Werk des Glaubens einbringen (2 Thess 1,11).
Das Schifflein Petri mag schwanken, es wird uns doch ans andre Ufer bringen. Darum: Fort mit allem Kleinglauben! Und: „Handle so, als hinge alles von dir ab. – Hoffe so, als hinge alles von Gott ab! (Hl.Ignatius)
Amen.