Advent – Zeit der Sehnsucht

Predigt zum 1. Adventssonntag

Die Adventszeit ist für viele Menschen eine ganz besondere Zeit im Jahr, eine Zeit, auf die man sich freut – trotz allem Vorweihnachtsstress.

Diese Wochen im Dezember sprechen das Gemüt an; sie wecken Erinnerungen an die Kindheit: Wie man sich freute auf den Heiligen Abend, jeden Tag gespannt ein Fensterchen am Adventskalender öffnete, bis dann endlich der 24. kam.

Und diesen Versprechenscharakter behält der Advent auch für den Erwachsenen. – Irgendwie ist diese vorweihnachtliche Zeit gefüllt mit Erwartung, mit Sehnucht, auch mit Geheimnis. Das Symbol dafür ist das Licht im Dunkel, die Kerze, die Licht und Wärme in die kalte Nacht ausstrahlt.

Interessanterweise sind diese Empfindungen nicht auf gläubige Menschen beschränkt, sondern allgemein verbreitet. Die Vorweihnachtszeit erfreut sich überall großer Beliebtheit – und das hat dann wiederum unangenehme Begleiterscheinungen: Der übertriebene Weihnachtsrummel, die gnadenlose Vermarktung Weihnachtens in der Werbung, das hektische Weihnachtsgeschäft.

Noch eine andere Beobachtung ist interessant. Ebenso wie viele Menschen sich jedes Jahr irgendwie auf Weihnachten freuen und gefühlsmäßig stimuliert sind, erleben sie dann am Fest selbst alljährlich eine Enttäuschung. – Trotz des guten Essens, des prächtigen Lichterbaums, der vielen Geschenke will sich keine rechte Freude einstellen. Die Erwartung, die Vorfreude ist irgendwie ins Leere gegangen. Es ist nicht wirklich Weihnachten geworden.

Liebe Gläubige, der Advent ist tatsächlich eine Zeit der Erwartung, ja mehr noch: eine Zeit der Sehnsucht. Die Adventszeit will den Menschen geradezu die Sehnsucht lehren, so ist sie konzipiert in der Hinordnung auf das Weihnachtsfest.

Advent möchte ein tiefes Verlangen im Menschen wecken, aber ein Verlangen, das übers Materielle und Alltägliche, über die Geschäfte, Sorgen und Vergnügungen des Alltags hinausgreift – ins Unendliche hinein, in die Welt Gottes hinein. Von dieser Sehnsucht nach Gott, nach dem göttlichen Erlöser, nach dem Reich Gottes sprechen alle Gebete und Lieder des Advents. Immer wieder in vielen Variationen der eine Ruf: Komm, Herr Jesus – in diese dunkle Welt und auch in mein Herz und mache alles hell.

Ich glaube, wir täten uns selbst den größten Gefallen, wenn wir uns von dieser eigentlichen und ursprünglichen Sehnsucht des Advents anstecken ließen. – Lassen wir diese kostbaren drei – vier Wochen nicht ungenutzt vorübergehen, nicht sich ganz und gar im Oberflächlichen und in der Geschäftigkeit verlieren. Sondern versuchen wir – wie es so oft in alten Gebeten und Liedern heißt – unser Herz zu bereiten.

Nehmen wir zum Beispiel die Adventslieder, die zum kostbarsten Liedgut der Christenheit gehören, und beten wir jeden Tag eines. Mit Bedacht, die Worte ausschöpfend.

Oder gehen wir immer wieder einmal auf einen Augenblick in die Kirche, sie ist uns doch gegeben als Haus des Gebets, als Ort der Gegenwart Gottes mitten in unserem Ort.

Besuchen wir einmal eine Werktagsmesse, zum Beispiel eine Roratemesse in der Frühe oder am Abend mit ihrem ganz eigenen Zauber.

Durch all das könnten wir – wie Romano Guardini es nennt – „Menschen der Sehnsucht“ werden, der Sehnsucht nach Gott, und dann kann Weihnachten auch für uns kommen.

„O Aufgang, Glanz des ewigen Lichtes, du Sonne der Gerechtigkeit. Komm, o Herr, und erleuchte uns, die wir sitzen in Finsternis und im Schatten des Todes“ *.

Amen.

*Große Antiphon vom 21. Dezember