1.Fastensonntag

Mt 4,1-11

Der Versucher und die Versuchungen

Eine dramatische Szene wird uns zum Auftakt der vorösterlichen Bußzeit vor Augen gestellt:

Da sehen wir Jesus Christus – vor Beginn seiner öffentlichen Wirksamkeit zieht er sich für vierzig Tage in die Einsamkeit der Wüste zurück, um zu beten und zu fasten, um mit Gott, seinem Vater, allein zu sein; und da wird die Einsamkeit Jesu gestört von einer seltsamen, unheimlichen Gestalt, einem Wesen, das normalerweise lieber verborgen im Hintergrund bleibt und von da aus Unheil stiftet.

Die Hl.Schrift nennt diese Unheil stiftende Hintergrund-Macht den Teufel. Das ist der Widersacher, der auseinanderbringt; der Gott und Mensch entzweit und Gottes Heilsplan zu durchkreuzen sucht.

Das ist ihm schon einmal gelungen: Am Anfang der Menschheitsgeschichte bei den Stammeltern der Menschheit. Die konnte er zum Treubruch verleiten: Sie glaubten der Schlange mehr als Gott, ihrem Schöpfer und stellten sich gegen Gott und seine Weisung.

Durch diesen Sündenfall nahm das Geschick der Menschen schon am Anfang eine Wendung zum Schlechten; beginnend mit dem Brudermord des Kain nimmt eine Geschichte voller Blut und Tränen und Gewalt und Leid ihren Lauf. Im Hintergrund dieser Menschheitstragödie aber steht immer der Bruch mit Gott, die Trennung des Menschengeschlechts vom Schöpfer. (Eben das ist es, was unter dem Begriff der Erbsünde gefaßt wird: der Verlust der ursprünglichen Gottverbundenheit; das „gnadenlose Auf-sich-selbst-Gestelltsein der Menschheit“ [Gustav Siewerth].)

Nun wird der Menschheit in Jesus Christus ein neuer Anfang geschenkt. Er ist der „zweite Adam“, wie Paulus sagt. Er soll das wiedergutmachen, was schon am Anfang verdorben wurde. Er soll die Verbindung zwischen Gott und den Menschen wiederherstellen, einen neuen und ewigen Bund stiften.

Und wiederum erscheint der Widersacher auf der Bildfläche und versucht, alles zu vereiteln.

Nur diesmal zieht er den Kürzeren.

In Jesus Christus, dem Gottmenschen, hat er seinen Meister gefunden. Das Ziel Satans ist klar: Er will Christus von seiner Mission abbringen, die da heißt: die Menschen sammeln für das Reich Gottes. Und so wird Christus „in Versuchung geführt“; er wird versucht, nicht dem Plan des Vaters zu dienen, sondern sich selbst, nicht für die Sache Gottes zu leben, sondern für die eigene Sache.

Die drei Versuchungen, die uns das Evangelium schildert, sind nicht willkürlich gewählt. Sie stellen die drei Grundgefährdungen des Menschen dar, die stärksten Anfälligkeiten für das Böse.

Die erste:

„Wenn du Hunger hast und zugleich Gottes Sohn bist,
dann mach dir doch aus diesen Steinen Brot!“
Man kann dies die Versuchung des Materialismus nennen, des Haben-und- Genießenwollens.

  • Aus allem Brot für mich machen.
  • Auf nichts verzichten können.
  • Jedes Bedürfnis sofort befriedigen.
  • Besitz und Konsum als Lebensinhalt.

Wie viele lassen sich heute von der Welle des Konsumismus und Materialismus wegtragen. – Und sind wir nicht alle schon davon infiziert?

Die Antwort Jesu auf diese Versuchung:

„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein,
sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“.
Der Mensch darf über seinen leiblichen und materiellen Bedürfnissen nicht vergessen, daß er auch und vor allem ein geistiges Wesen ist, daß er sich darum von geistiger Nahrung nähren muß, wenn er nicht auf die Stufe des „findigen Tiers“ (Karl Rahner) herabsinken will.

Die zweite Versuchung:

„Stürz dich vom Tempel herab – die Engel werden dich auf ihren Händen tragen!“

Jesus soll vor aller Augen etwas Sensationelles vollbringen, ein Schauwunder. Das ist die Versuchung der Eitelkeit, des Glänzenwollens.Auch dies ein tief im Menschen verwurzeltes Bedürfnis. Jeder will zur Geltung kommen, bewundert werden, schön sein.

Aber wenn dies wiederum zum einzigen Lebensinhalt wird? – Wenn es z.B. nur noch darum geht, dem Modeideal zu entsprechen? Wie viele wären geradezu bereit, ihre Seele zu verkaufen, um zur Welt der Schönen und Prominenten, der Stars und Idole zu gehören. – Und sind wir nicht alle viel zu sehr auf diese Scheinwelt, den Jahrmarkt der Eitelkeiten fixiert?

Und schließlich der dritte Angriff des Bösen, die Versuchung zur Macht, zum Herrschenwollen.

„Alle Reiche der Welt will ich dir übergeben,
wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest“.
Machtstreben, Machtkämpfe gibt es nicht nur in der großen Politik. Das spielt sich auf allen Ebenen des Menschseins ab, im Beruf, in der Familie: Den Ton angeben, die andern die eigene Macht spüren lassen, vom Weniger des andern das eigene Mehr nähren. Auch dies für viele geradezu ein Lebenselixier. Und doch auch das eine Selbsttäuschung, eine Lebenslüge. Denn die Größe des Menschen besteht nicht darin, daß er andere beherrscht, sondern daß er Gott, dem Höchsten, dienen darf:

„Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“.
Am Schluß treibt Jesus den Bösen fort:“Weg mit dir, Satan!“ – „Hypage, satana“ – das ist der erste Exorzismus der Geschichte.

Wir erfahren in diesem Evangelium einiges über das Wesen und Wollen des Widersachers.
Er will angebetet werden, das ist sein letztes und eigentliches Ziel – die kultische Verehrung.
Manche Phänomene der gegenwart wie Okkultismus und Satanismus müssen auch auf diesem Hintergrund betrachtet werden. In das sich ausbreitende religiöse Vakuum dringt heimlich,still und leise der böse Geist ein. In Großstädten gibt es heute schon mehr „Hexen“ als Seelsorger…

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß der Satan sich bei seinen Überredungsversuchen sogar der Hl.Schrift bedient (er zitiert Verse aus Psalm 91). Nicht jeder also, der mit Bibelworten daherkommt, ist dadurch schon legitimiert. „Was der Teufel in der Bibel sucht, das findet er“, sagt ein Sprichwort. Nur im Rahmen der verbindlichen kirchlichen Auslegung ist die Bibel vor Mißbrauch geschützt.

Schließlich fällt auf, daß Christus sich im Grunde auf kein Gespräch mit dem Teufel einläßt. Er diskutiert nicht über die diabolischen Vorschläge, sondern weist sie jeweils kurz und bündig mit einem Schriftwort ab. – Wir lernen daraus: Der heute so viel beschworene „Dialog“ ist kein Allheilmittel. Im Gegenteil: Mit dem Bösen kann es keinen Dialog geben.

So wird Jesus vom Teufel versucht, d.h. geprüft, getestet, erprobt. Und er besteht die Prüfung glänzend. Nichts und niemand kann ihn von Gott, seinem Vater und dem Willen Gottes abbringen. Auch wir sind in einem Zustand der Erprobung. – Wir sollen uns hier, in diesem Leben bewähren, damit wir würdig erfunden werden für das Reich Gottes. Von daher verstehen wir auch besser den Sinn der Vaterunser-Bitte:“Führe uns nicht in Versuchung“.

Wir spüren, wie schwer diese Bitte wiegt.

Da geht es um die existentielle Entscheidung: von Gott weg – oder zu ihm hin. „Bewahre uns davor, daß wir jemals von dir getrennt werden, indem wir uns an falsche Götzen hängen“, so könnte man diese Vaterunser-Bitte paraphrasieren. Die Fastenzeit will uns in dieser Haltung bestärken: Daß wir uns von falschen Fixierungen freimachen und uns wieder entschieden auf Gott und seinen Willen ausrichten.

Wenn uns das, wenigstens ansatzweise gelingt, dann ist diese vorösterliche Zeit eine gesegnete Zeit, eine Zeit der Gnade für uns.

Amen.