Predigt zum 2. Fastensonntag A (Mt 17, 1-9)*
Die heilige Theresia von Lisieux schreibt einmal in einem Brief: „Wir durchfuhren die Schweizer Berge. Man kann dort gut beten. Man spürt, dass Gott nahe ist. All das ist so großartig, so dazu geschaffen, uns zu erheben.“
Wer immer eine Beziehung zu den Bergen hat – als Wanderer oder gar als Bergsteiger – kann diese Sätze nachvollziehen. Das Gefühl, dort oben in der Höhe dem Himmel nahe zu sein. Und im Angesicht eines überwältigenden Panoramas wie Petrus ausrufen zu wollen: „Hier ist es gut. – Hier wollen wir bleiben.“
Von Jesus Christus lesen wir wiederholt im Evangelium, dass er sich auf einen Berg zurückzog, um mit Gott, seinem Vater allein zu sein.
Heute nimmt er die Jünger Petrus, Johannes und Jakobus mit sich auf den Berg, den Berg Tabor. Und dort oben vermittelt er den Dreien ein Höhenerlebnis ganz besonderer Art:
Sie sind nicht nur dem Himmel nah, der Himmel öffnet sich ihnen. Einen Augenblick lang erhalten sie Einblick in die himmlische Welt.
Jesus erstrahlt ihnen in einem überirdischen Glanz; sein Aussehen verändert sich, er zeigt sich ihnen anders als sonst, in seiner göttlichen Majestät und Macht.
Mose und Elia; die großen Propheten und Gottesmänner des Alten Bundes, sind plötzlich da und sprechen mit Jesus wie Vertraute. – Eine Ahnung von der Gemeinschaft der Heiligen kommt auf.
Und dann, als Höhepunkt des Ganzen, die Stimme aus der leuchtenden Wolke: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Gefallen habe; auf ihn sollt ihr hören!“ (Mt 17, 5)
Gott zeigt sich als Vater, der liebt; der den Sohn liebt und alle, die zum Sohn gehören.
Frage: Gibt es solch ein Taborerlebnis, wie es die drei Jünger damals hatten, auch in unserem Leben und Glauben?
Nun, einerseits war die Stunde damals einzigartig und wird sich so nie wiederholen. Aber es gibt doch vielleicht Ähnliches, Sternstunden, Gipfelerlebnisse, die Gott uns schenkt, weil er uns liebt und auf unserem Weg stärken will.
Manchmal kann es ein Naturerlebnis sein, das den Menschen überwältigt und zu Gott führt. So war es etwa beim heiligen Philipp Neri. Der erste Anblick des Meeres löste bei ihm eine starke innere Bewegung aus. Das Meer wurde ihm zum Symbol von Gottes Unermesslichkeit. Dieses starke Erleben in seiner Jugend prägte ihn für sein ganzes weiteres Leben.
In der Liebe erfahren Menschen, dass die engen Grenzen des Alltags aufgesprengt werden und plötzlich alles ganz neu ist und voller Leben.
Und auch im Glauben gibt es das, wenn das Herz ganz bei Gott ist und einfach glücklich über seine Gegenwart.
Manchmal erzählen Menschen, dass sie im Traum einen Blick in den Himmel, ins Paradies werfen durften. Die Bibel lehrt uns, dass nicht alle Träume Schäume sind, sondern dass Gott manchmal im Traum zur Seele spricht.
Es gibt die Tabor-Stunden. Aber sie sind nicht das tägliche Brot des Lebens und des Glaubens.
Das tägliche Brot heißt: das, was mir gegeben ist, annehmen, und wenn es schwer wird, wenn es gar zum Kreuz wird, tragen.
Paulus sagt in der heutigen Lesung zu seinem Schüler Timotheus: „Leide mit mir für das Evangelium. Gott gibt dazu die Kraft“ (2 Tim 1,8).
Das muss uns reichen für das tägliche Leben und seine Anforderungen und Widrigkeiten: Gott gibt dazu die Kraft.
Aber gleichzeitig dürfen wir im Herzen wissen, dass es noch mehr gibt. Denn „die Wirklichkeit ist nicht so klein, wie wir sie meistens erleben, sondern so groß, wie wir sie ersehnen“ (Benedikt XVI). – Das Große gibt es wirklich. Die Erfüllung meines Lebens gibt es wirklich. Das was mein Herz ersehnt, gibt es wirklich.
Und in diesem Wissen und gestärkt durch das eine oder andere Taborerlebnis kann ich den mühsamen Weg getrost und froh weitergehen.
Amen.
*Gewidmet meinem früheren Subregens im Priesterseminar, Wolfgang Knor.