Predigt zum 5. Fastensonntag (B)
„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). Mit diesem Wort deutet Jesus seinen eigenen Weg, seinen Leidensweg.
Jetzt ist er allein.
Es kommen zwar Menschen, die ihn sehen wollen, die neugierig auf ihn sind. Aber nur wenige glauben an ihn als den Sohn Gottes. Er hat auch Jünger um sich. Aber sie verstehen ihn nicht. Und bald werden ihn alle Jünger verlassen und fliehen. Beim Letzten Abendmahl sagt er es ihnen voraus: „Die Stunde kommt, und sie ist schon da, in der ihr versprengt werdet, jeder in sein Haus, und mich werdet ihr allein lassen“ (Joh 16, 32). Im Garten Getsemani wird Jesus ganz allein sein, keine Menschenseele mehr an seiner Seite haben; und am Kreuz wird er sogar den Eindruck haben, von Gott, seinem Vater, verlassen zu sein. Aber gleichzeitig weiß er: Durch dieses furchtbare Alleinsein hindurch, durch den Tod am Kreuz – den er aus Liebe zu uns Menschen stirbt – wird das Neue kommen: das Ende aller Verlassenheit, die neue Gemeinschaft der Menschen mit Gott und untereinander in Zeit und Ewigkeit. – Der neue und ewige Bund: Das ist die Frucht des Opfers Jesu.
Von diesem Bund sprach einst der Prophet Jeremia: „Das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe. Ich lege mein Gesetz (der Liebe) in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Alle, klein und gross, werden mich erkennen. Denn ich verzeihe ihnen die Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr“ (Jes 31, 31-34).
Das Alleinsein gehört zu jedem Menschenleben. Es tut dann weh, wenn es das Alleinsein der Verlassenheit ist, der Trennung, des Zurückgewiesenwerdens.
Jesus sagt uns: Nimm das Alleinsein an – im Blick auf mich – stirb ruhig diesen Tod mitten im Leben, dann kann etwas mit dir passieren, dann kann etwas wachsen und reifen; das Herz aus Stein in deiner Brust kann zu einem Herz aus Fleisch werden – gerade weil es ein verwundetes Herz ist, und du wirst mehr Frucht bringen in der Liebe.
„Wer an seinem Leben hängt, verliert es, wer aber sein Leben in dieser Welt drangibt, wird es bewahren bis ins ewige Leben“ (Joh 12,25).
Frage: Wie soll ich mein Leben führen, dass es sinnvoll ist, dass es menschlich ist, dass es glückt in Zeit und Ewigkeit? – Soll ich leben nach dem Motto: >Mein Leben gehört mir! Und ich leb mich aus, so gut ich kann, und ich will auch mein Stück vom Kuchen haben und ich will vor allem meinen Spaß…<?
Wer so lebt, verliert das Leben, sagt der Herr, er verspielt es, er geht am eigentlichen Sinn des Lebens vorbei.
Worin aber besteht der Sinn?
Nicht im Festhalten und Für – sich – selbst – Verbrauchen des Lebens, sondern in der Hingabe.
Der große Tiefenpsychologe Viktor Frankl sagt: „Selbstverwirklichung gibt es nur in der Selbsthingabe“.
Wenn der Mensch nicht mehr nur für sich lebt – eingemauert in sein kleines Ego – sondern wenn er frei wird, für andere da zu sein, auch für eine große Sache da zu sein, etwa die Sache Gottes („Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren“ – Joh 12, 26): Dann erfüllt sich sein Leben, dann wird es reich und groß und bringt Frucht, die bleibt.
Liebe Gemeinde, wenn wir jetzt Eucharistie feiern, dann erneuern wir den Neuen und ewigen Bund, den Jesus durch seine Lebenshingabe gestiftet hat.
Die Heilige Messe ist die Bundesfeier des Gottesvolkes, aller, die Jesus aus der Vereinzelung und dem Alleinsein zusammengeführt und hineingenommen hat in die Gemeinschaft der Kinder Gottes, in die Gemeinschaft der göttlichen Liebe. Bitten wir den Herrn, dass wir durch dieses große Geheimnis seiner Liebe bis in den Tod mehr und mehr verändert, verwandelt werden, um selber zu einem Geschenk der Liebe zu werden.
AMEN.