Predigt zum 3. Fastensonntag C (Lk 13,1-9)
Bei großen Katastrophen kommt in den Medien mit schöner Regelmäßigkeit die Frage: „Wie kann Gott das zulassen?“ – „Wo warst du, Gott?“ titelte eine Zeitung nach dem Erdbeben auf Haiti.
Das ist merkwürdig. Gott, von dem man doch sonst in unserer modernen Welt wenig wissen will, den man totschweigt, von dem man sich vor allem nichts sagen lassen will, von dem man sich nicht ins Leben hineinregieren lassen will („wir sind schließlich mündig und frei“): Dieser Gott wird sofort auf die Anklagebank zitiert, wenn es eine Katastrophe gibt, wenn die Menschheit einmal ihre ganze Ohnmacht erfährt gegenüber den Naturgewalten, gegenüber dem Tod.
Und viele sehen sich dann wiederum in ihrem Unglauben bestätigt, und sie ziehen damit gerade die falsche, die grundverkehrte Lehre aus den Ereignissen. Anstatt einmal darüber nachzudenken, was eigentlich unserem bedrohten , zerbrechlichen Leben Sinn über den Tod hinaus gibt, verhärten sie sich in ihrem Nein zu Gott.
Auch die Galiläer, die damals zu Jesus kamen und ihm von dem blutigen Massaker des Pilatus berichteten, fragten nach Gott. Sie fragten sich, ob dieses Unglück vielleicht eine Strafe Gottes war. Die Pharisäer und andere jüdische Gelehrte vertraten nämlich die Auffassung, dass Leid und Unglück Strafe für die Sünde seien. Man nennt das in der Theologie das „Vergeltungsdenken“ oder den „Tun-Ergehens-Zusammenhang“: Gott belohnt die Gerechten und Frommen mit Glück und langem Leben, die Übeltäter und Gottlosen aber nehmen ein böses Ende. Wem es also gut geht, der muss wohl auch gut sein, der wird von Gott belohnt. Wem es aber schlecht geht, wer von Leid und Unglück heimgesucht wird, der scheint sich die gerechte Strafe zuzuziehen. Eine leicht zu verstehende Theorie, die nur einen Fehler hat: Sie stimmt nicht! Denn offensichtlich treffen Leid und Unheil nicht nur böse Leute, sondern genauso gute und gläubige Menschen. Ja, manchmal meint man sogar: Je schlechter und rücksichtsloser einer ist, desto besser kommt er durchs Leben…
Die Frage ist also: Warum müssen auch unschuldige Menschen ein tragisches Schicksal erleiden?
Um diese Frage kreist im Alten Testament das Buch HIOB.
Von Hiob heißt es: „Er war untadelig und rechtschaffen, er fürchtete Gott und mied das Böse“ (Hiob 1,1). Trotzdem trifft ihn eine Hiobsbotschaft nach der andern: Zuerst verliert er seinen ganzen Besitz, dann kommen alle seine Söhne und Töchter bei einem Unglück um, schließlich wird er selbst mit Aussatz geschlagen. Natürlich fragt Hiob: „Warum gerade ich? Womit habe ich das verdient?“ Im Laufe des Buches wird die Antwort gegeben. – Gerade weil Hiob gerecht war, ein Freund Gottes, hat Gott ihn im Leiden erprobt. – Wird er auch dann noch an Gott festhalten, wenn es ihm nicht mehr gut geht, wenn ihm seine Frömmigkeit nichts mehr nützt? Sind seine Treue und Liebe zu Gott echt und werden sie auch in schlechten Tagen bestehen bleiben? Und es zeigt sich: Gott hat sich in seinem treuen Diener Hiob nicht getäuscht. Denn der kann sagen: „Haben wir das Gute von Gott angenommen, sollen wir dann nicht auch das Schlechte annehmen? – Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen. Gepriesen sei der Name des Herrn!“ (Hiob 1.21)
Das müssen alle von Leid und Schmerz Heimgesuchten wissen: das Leid, das dir auferlegt ist, ist keine Strafe! Es ruft dich vielmehr in die Nachfolge Jesu! Es verbindet dich mit dem Kreuz des Herrn.
Darum weist Jesus es im heutigen Evangelium entschieden zurück, dass die von Pilatus Ermordeten oder die, die beim Einsturz des Turms von Schiloach erschlagen werden, für ihre Sünden bestraft wurden:
„Meint ihr, dass nur diese Menschen Sünder waren, alle anderen aber nicht? Nein, im Gegenteil“ (Lk 13,2). – Im Gegenteil: Die anderen, die verschont wurden, sind vielleicht viel größere Sünder.
Welche Bedeutung haben dann aber solche Katastrophen, die die Menschen aufschrecken? Gar keine? Reiner Zufall? Blindes Schicksal?
Nein, sagt Jesus, sie sind ein Ruf zur Umkehr: „Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt“ (Lk 13,5). – Gott spricht durch die Zeichen der Zeit und mahnt uns, das Leben nicht zu verspielen.
Liebe Gemeinde, wer auf die Stimme des Evangeliums nicht hört oder hören will, wer die leise Stimme seines Herzens, seines Gewissens permanent überhört, der stolpert wenigstens vielleicht einmal über ein Ereignis, das ihn erschüttert, das ihn aufweckt aus seiner Gottvergessenheit und seinem oberflächlichen, sinnlosen Dahinleben.
Vielleicht kommt es zur Umkehr. Vielleicht geht es dem Menschen endlich auf, wie er mit jeder Faser seiner Existenz von Gott abhängt, und wie er auf seine Mitmenschen verwiesen ist.
Ob der unfruchtbare Feigenbaum, um den sich der Weingärtner im Gleichnis so intensiv bemüht, ob er doch noch Frucht bringt, das bleibt offen (Lk 13,6-9).
Für uns jedenfalls ist das heutige Evangelium Mahnung, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten. Die Ereignisse, die die Welt aufschrecken, rufen uns auf, den Weg, der zum Leben führt – die Nachfolge Jesu – entschlossen zu gehen, entschlossener noch als bisher. Wenn wir Frucht bringen im Glauben und in der Liebe, dann brauchen wir Katastrophen nicht zu fürchten. Denn der Herr verbürgt uns, dass unsere Frucht bleibt (Joh 15,16) in Zeit und Ewigkeit.
AMEN