Predigt zum Karfreitag
Es war um die neunte Stunde – um drei Uhr nachmittags -, als Jesus am Freitag in der Paschawoche des Jahres 30 am Kreuz starb.
Heute, am Karfreitag 2009, haben wir uns in der Todesstunde des Herrn versammelt – in Gemeinschaft mit den vielen Christen weltweit, die jetzt mit uns an Jesus denken, auf ihn, den Gekreuzigten schauen.
In den letzten Jahren hat ein Kinofilm die Gemüter bewegt: „Die Passion Christi“ von Mel Gibson. Es ist die Verfilmung der Leidensgeschichte, wie wir sie eben gehört haben. Wer diesen Film gesehen hat, der sieht Jesus und sein Kreuz mit anderen Augen. Wie grausam, wie erbarmungslos die Menschen mit dem Sohn Gottes, mit dem Heiland verfuhren – das einmal plastisch und realistisch vor Augen geführt zu bekommen, das tut weh…
Und doch kann auch dieser Film – der mehr ist als ein üblicher Film – nur die Außenseite der Passion Jesu zeigen: sein körperliches, physisches Martyrium. Was im Grunde noch viel schwerer wiegt, ist die seelische Dimension, ja die kosmische Dimension seines Leidensweges.
Als Jesus im Garten Gethsemane betrübt ist bis in den Tod, als er Blut und Wasser zu schwitzen beginnt, da hat er nicht nur Angst vor der bevorstehenden Hinrichtung. Nein, er weiß, dass er jetzt für die Sünde der Welt sterben muss, dass er die Sünden aller ans Kreuz tragen muss.
Er ist der Gottesknecht, von dem der Prophet Jesaja schon 700 Jahre zuvor in dunklen Worten gesprochen hatte: „Er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen“ (Jes 52,13 – 53.12).
Er lud auf ihn die Schuld von uns allen. – Können wir auch nur ansatzweise ausloten, was diese Worte bedeuten?
2004 ist Anna Katharina Emmerich selig gesprochen worden, eine Augustinernonne, die 1824 in Dülmen (Westfalen) starb. Zwölf Jahre lang trug sie die Wundmale Jesu. Sie erlitt jeden Freitag im Geist Christi Passion und sah in ihren Visionen viele Ereignisse aus der ganzen Heilsgeschichte. Der bekannte Dichter Clemens Brentano zeichnete ihre Visionen in über fünfjähriger Arbeit an ihrem Krankenlager auf. Lassen sie mich etwas von dem zitieren, was sie schaute von dem Ringen Jesu im Ölgarten:
„Ganz seiner Menschheit hingegeben, fiel er, in unendlicher Trauer und Angst zu Gott flehend, auf sein Angesicht nieder, und er sah alle Sünden der Welt und ihre innere Scheußlichkeit in unzähligen Bildern und nahm sie alle auf sich und erbot sich in seinem Gebet, der Gerechtigkeit seines himmlischen Vaters, für alle diese Schuld leidend, genug zu tun. Jesus nahm alles dieses auf sich, er fühlte als das einzige Gott und die Menschen vollkommen liebende Herz mitten in dieser Wüste des Abscheulichen den Gräuel und die Last aller Sünden mit Entsetzen und zerreißender Trauer. Ach! Ich sah so vieles, ein Jahr würde nicht zureichen, es auszusprechen….Anfangs kniete Jesus ruhig in betender Stellung, später aber erschrak seine Seele vor der Menge und Abscheulichkeit der Sünden und des menschlichen Undanks gegen Gott, und es überfiel ihn eine so zermalmende Trauer und Herzensangst, dass er zitternd und zagend flehte: >Abba Vater! Ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber! Mein Vater! Dir ist alles möglich! Nimm diesen Kelch von mir!< Dann fasste er sich wieder und sagte: >Doch nicht wie ich will, sondern was du willst<!“
Jesus ist für die Sünden der Menschen gestorben. Sünde, die eigentliche Sünde ist: das Nein zu Gott, das Nein zur Liebe, die Verweigerung der geschuldeten Gottes– und Nächstenliebe.
An dieser Sünde sind auch wir alle beteiligt. Aber seit Jesus für uns gestorben ist, trennt uns die Sünde nicht mehr von Gott. Er hat uns durch sein Kreuz mit Gott versöhnt, den neuen und ewigen Bund gestiftet.
Darum denken wir heute an Jesus, unseren Erlöser, und danken ihm. Tun wir es ganz persönlich. Danken wir ihm für seine Liebe zu uns Sündern, zum Beispiel nachher, wenn wir das Kreuz verehren und vor dem Kreuz die Knie beugen.
Amen.