Predigt in der Heiligen Nacht
„Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll !“ (Lk 2,10)
Das verkündet der Engel des Herrn den Hirten vor Bethlehem – und diese Botschaft gilt auch uns, die wir uns in dieser Heiligen Nacht des Jahres 2003 versammelt haben.
Freude steht über der Heiligen Nacht, ja große Freude, Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll, allen Menschen, die guten Willens sind.
Liebe Mitchristen, ich frage Sie: Haben Sie sich heute schon gefreut? Überlegen Sie einmal!
Vielleicht können Sie da spontan Ja sagen. Vielleicht haben Sie sich richtig gefreut über ein Geschenk, das Sie sich schon lange gewünscht haben oder das eine große Überraschung war.
Oder vielleicht hatten Sie umgekehrt Freude am Beschenken der andern, z.B. der Kinder. Oft gilt ja wirklich: Geben ist seliger als nehmen.
Vielleicht konnten Sie sich freuen an einem gelungenen Heiligen Abend daheim in der Familie, alle einmal wieder unter dem Christbaum vereint. Und auch am guten Essen und Trinken, das zum Fest gehört, kann man sich ja freuen.
Allerdings wissen wir: Alle diese Freuden halten nicht lange an – und bei manchen handelt man sich einen Kater ein …
Vielleicht aber sind sie heute abend noch überhaupt nicht fröhlich gewesen; vielleicht sind sie traurig, enttäuscht. Die Erwartungen auf Weihnachten werden ja nicht zuletzt durch die Werbung so angeheizt – durch die schönen, harmonischen, romantischen Bilder – dass die Enttäuschung fast vorprogrammiert ist.
Vielleicht gab es auch schon Streit heute abend, schlechte Stimmung – wie es ja nicht selten grade an Feiertagen vorkommt.
Wie auch immer, egal, wie und woher wir gekommen sind: Jetzt, in dieser Stunde wird jedem von uns Freude zugesagt, ja Freude angeboten. Aber nicht irgendeine Freude, sondern die Freude, die von Gott kommt, und das ist die Freude, die den Menschen im Innersten frei und die Seele gesund macht.
Diese Freude ist tausendmal mehr wert als aller Spaß der Welt und alle Freuden des Wohlstands und Wohllebens.
Frage: Wie bekomme ich diese Freude, diese echte Weihnachtsfreude?
Schauen wir, was die Hirten machten, nachdem Sie die Freudenbotschaft der Engel gehört hatten. Es heißt: „Die Hirten sagten zueinander: Kommt, wir gehen nach Betlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ. So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag“ (Lk 2,15-16).
Liebe Gemeinde, das ist das Entscheidende: Dass sich der Mensch aufmacht, dass er dem Ruf Gottes folgt und zu Jesus geht, zu dem, den uns der Vater als Retter und Erlöser geschenkt hat.
So haben Sie sich heute abend aufgemacht. Vielleicht gegen Widerstände. Vielleicht gegen die eigene Bequemlichkeit, vielleicht gegen andere, die sagten: Bleib doch daheim!
Es ist schon traurig, dass so viele, die Christen heißen, selbst an Weihnachten – um vom übrigen Jahr zu schweigen – nicht den Weg zu Jesus Christus finden.
Andererseits, vielleicht kann es nicht anders sein. – Denn auch in der Heiligen Nacht damals, es heißt nicht: Ganz Bethlehem zog zur Krippe hinaus. – Nur einige Hirten kamen. Im übrigen aber hatten Josef und Maria vor verschlossenen Türen gestanden – es war kein Platz für sie in der Stadt. So ist es halt in unserer Welt. So war es damals, so ist es heute.
Aber auch das soll uns heute die Freude nicht trüben. Denken wir vielmehr an die vielen Gläubigen aus allen Nationen und Sprachen, die heute weltweit mit uns zur Krippe pilgern. Sie bilden das eine, große Volk Gottes in unserer Zeit.
„Die Hirten fanden das Kind, das in der Krippe lag“. – Finden auch wir heute Nacht Jesus? Finden wir zu ihm? – Darauf kommt es an! Beten wir darum! Zum Beispiel nachher, wenn wir die Kommunion empfangen: „Herr Jesus, komm doch zu mir und bleibe bei mir!“ Wenn dieser Wunsch aus ehrlichem Herzen kommt, warum sollte der Herr ihn nicht gerade in der heutigen heiligen Nacht erfüllen? Warum sollte er uns nicht gerade heute an seinem Geburtstag in reichem Maß seine Liebe schenken?
Wenn wir von der Nähe und Liebe Gottes oft nichts spüren: Es liegt nicht an Gott! Gott ist die Liebe. – Es liegt an unseren eigenen verschlossenen und versteinerten Herzen.
„Gott, weil er groß ist, gibt am liebsten große Gaben. Ach, dass wir Arme nur so kleine Herzen haben!“ (Ein Wort von Angelus Silesius.)
Darum: Machen wir heute unser Herz groß und weit! Lassen wir uns mitziehen von der festlichen Liturgie, von den alten, zu Herzen gehenden Weihnachtsliedern.
Wenden wir uns ganz dem Herrn zu. Stellen wir uns in das Licht seiner starken Liebe!
Liebe Gläubige, die Hirten kehrten dann von der Krippe wieder zurück in ihr altes Leben. Die Herden warteten schon. Es war immer noch kalt. Es war immer noch Nacht. Es gab immer noch viele Gefahren. Die Sorgen für den nächsten Tag standen auch alle schon parat. Und doch war alles ganz anders geworden. Wie verwandelt.
Denn nun brauchten die Hirten nur an das göttliche Kind in der Krippe zu denken und an die Engel über Betlehem – und sie wußten bei allen Sorgen und Problemen:
Christ, der Retter ist da.
Amen.