Predigt zum 15. Sonntag im Jahreskreis C
(Lk 10, 25-37)
Von Sartre gibt es ein bekanntes Wort: „Die Hölle – das sind die anderen“.
Was ist damit gemeint?
Die anderen, das heißt: die Mitmenschen, die Umgebung können für den Einzelnen auf seinem Weg der Selbstverwirklichung so lästig sein und störend, dass er sie als Hölle empfindet.
Auch wenn man diese Auffassung irgendwie nachvollziehen kann: sie ist falsch.
Die Hölle: das sind nicht die anderen.
Die Hölle, das ist im Gegenteil der Einzelne – verkapselt in sich selbst, verdammt zum ewigen Mit-sich-selbst-Alleinsein, abgetrennt von Gott und dem Nächsten.
Die anderen sind nicht die Hölle. – Sie sind gewiss auch nicht der Himmel. Aber ohne die anderen – mit dem Rücken zum Nächsten wird niemand in den Himmel kommen: d.h. das Ziel des Lebens erreichen, das Reich Gottes, das Ewige Leben.
Nach eben diesem Ewigen Leben fragt der Gesetzeslehrer im heutigen Evangelium, es ist die Ausgangsfrage des Gesprächs mit Christus:
„Meister, was muss sich tun, um das Ewige Leben zu gewinnen?“(Lk 10, 25)
Diese Frage , die im Evangelium eine große Rolle, ja die entscheidende Rolle spielt , sollten auch wir uns einmal wieder neu stellen.
Denn sie wird ja heute weithin totgeschwiegen. Man tut so, als ob es das Ewige Leben gar nicht gäbe und man sich darum nicht zu kümmern brauchte und als ob es allein darum ginge, so viel wie möglich aus diesem Erdenleben herauszuholen und sich hier sozusagen ein kleines Paradies auf Erden zu schaffen.
Da ist die bittere Enttäuschung vorprogrammiert…
Das Evangelium mahnt uns demgegenüber dazu, mehr für das Ewige als für das zeitliche Leben zu sorgen. Es nennt auch klipp und klar den Weg, auf dem allein man in dieses Ewige Leben gelangt: Es ist der Weg der Liebe und zwar der Gottes – und der Nächstenliebe. So sagt es ja auch ganz richtig der Gesetzeslehrer:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken – und – Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst“(Lk 10, 27).
Was für den Schriftgelehrten zunächst noch graue Theorie ist, veranschaulicht Jesus mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter:
Handle so wie der Samariter, der für den Verletzten sorgte. – Sei jedem Nächster, der deine Hilfe braucht.
Die Bestimmung des Menschen ist es, Nächster zu sein . Die anderen, die – wie zufällig – meinen Weg kreuzen oder die mir zur Seite gestellt sind, sie sind nicht irgendwelche lästigen Störenfriede, sondern die mir gestellte Lebensaufgabe.
„Bin ich denn der Hüter meines Bruders?“(Gen 4, 9) So begehrt Kain gegen Gott auf , als der ihn nach seinem Bruder Abel fragt. Hier im Evangelium wird die Antwort gegeben:
>Ja , du bist der Hüter deines Bruders! – Wer immer es ist, der in deinem Leben auftaucht und der deine Hilfe und Sorge und Barmherzigkeit braucht.<
Es ist das ein Grundthema des Evangeliums. Immer wieder schärft es Jesus uns ein:
Ihr könnt nicht selig werden mit dem Rücken gegen die anderen.
„Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen, ich war krank, und ihr habt mich besucht, ich war gefangen, hungrig, durstig, nackt….und ihr wart für mich da“ – das sind die Worte, die den Gerichtsspruch Jesu am Jüngsten Tag einleiten (Mt 25,31 – 46).
Immer war da einer allein, und ein anderer kam in sein Leben und war für ihn da.
Liebe lässt den anderen nicht allein, sondern hält bei ihm aus.
Das ist die Lehre des Evangeliums.
Wichtig ist, das einmal wirklich verstanden zu haben. Noch wichtiger, danach zu leben.
„Geh und handle so! (Lk 10, 37)
Diese Aufforderung Jesu gilt uns.
Schauen wir uns einmal um in unserem Lebenskreis, und nehmen wir die mit neuen Augen wahr, die uns von Gott gegeben sind, damit wir ihnen Nächster sein können.
Amen.