Predigt zum 22. Sonntag im Jahreskreis A (Mt 16,21-27)
Vom Kreuztragen ist im heutigen Evangelium die Rede.
Jeder hat sein Kreuz zu tragen<, sagen wir. Wir meinen damit die Schwierigkeiten und Probleme des Lebens, die in der einen oder anderen Weise auf jeden zukommen, angefangen vom täglichen Ärger und der Banalität des immer Gleichen, bis hin zu harten Schicksalsschlägen wie Tod von Angehörigen, Krankheit , Unfällen und ähnlichem Leid.
Freilich, diese Härten des Lebens haben an sich noch nichts mit dem Glauben zu tun. Denn sie treffen den Nicht-Christen, den Ungläubigen genauso wie den Gläubigen. Zum Kreuz im christlichen Sinn wird das alles erst durch die Weise, wie sich jemand zu diesem Schweren und Leidvollen des Lebens verhält.
Ob einer im Glauben Ja dazu sagen kann, – „Dein Wille geschehe“; ob er das ihm von Gott zugeteilte Geschick annimmt im Blick auf Jesus, in Glauben, Hoffnung und Liebe, ohne Verbitterung und Hader und ohne davonzulaufen.
Die „bedingungslose Annahme des von Gott verfügten Lebens“ – nennt das der Theologe Karl Rahner. Das heißt dann wirklich, das Alltagskreuz im Glauben zu tragen.
Aber das ist noch nicht alles, was wir unter dem Kreuztragen zu verstehen haben.
Jesus sagt: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst , nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“(Mt 16,24).
Es geht also nicht nur um irgend ein Kreuz, eine Lebenslast im allgemeinen, sondern es geht um das Kreuz der Nachfolge Jesu.
Wer Jesu Jünger sein will, wer bewusst zu Jesus Christus gehören will, muss mit dem Kreuz rechnen. Der wird erfahren, dass Nachfolge Jesu nicht der Weg des geringsten Widerstandes ist, sondern dass das nicht selten unbequem für den Menschen ist, manches Opfer und manchen Verzicht kostet und Mut verlangt.
Das Kreuz ist der Ernstfall des Glaubens, der Nachfolge Jesu.
Man sagt, viele Menschen von heute seien wieder auf der Suche nach Religion, nach religiösen Erlebnissen. Aber was sie wollen, das sei eine unverbindliche „wellness“-Religion. Das heißt religiöse – oder wie man lieber sagt – „spirituelle“ Erlebnisse, die kurzzeitig Bedürfnisse befriedigen, die den Alltag spannender machen, Ängste betäuben – die aber keinen echten Einsatz erfordern, keine Lebensumkehr und die vor allem immer unverbindlich bleiben.
Eine Religion also zum Billigtarif.
Und das heißt: in Wahrheit gar keine Religion; denn in der Religion – übrigens in jeder Hochreligion, nicht nur im Christentum – geht es nicht zuerst darum, meine Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um das, was Gott von mir erwartet.
Gott dienen – das ist das Wesen echter Religiosität.
Und dazu gehören Ernsthaftigkeit, Entschiedenheit und Hingabebereitschaft.
Solch ein Glaube, der es ernst meint, der konkret und verbindlich ist, der ist dann aber auch stark und hat die Kraft, den Menschen zu tragen, in guten und in schlechten Tagen, im Leben und im Tod.
„Trägst du das Kreuz gern, dann trägt es dich“, heißt es in dem berühmten Buch „Nachfolge Christi“ des Thomas von Kempen.
Die bewusste Nachfolge Jesu, das entschiedene Leben im Dienst Gottes schenkt auch eine große Gelassenheit und Freiheit von den Götzen und Zwängen und Abhängigkeiten dieser Welt. Es gibt letztlich keinen besseren Platz, als in der Nachfolge Jesu stehen zu dürfen, ihn, unseren Herrn und Meister, vor Augen zu haben und ihm zu folgen.
Und so können wir dann auch gelassen und getrost auf das letzte große Kreuz unseres Lebens zugehen, auf den Tod.
Jesus ist dem Tod nicht ausgewichen, sondern hat ihn bewusst angenommen – und zwar den gewaltsamen Tod und den vorzeitigen Tod. Er geht nach Jerusalem, um dort am Kreuz zu sterben.
So kündet er es klipp und klar den Jüngern an: „Er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen“ (Mt 16,21).
Petrus möchte das nicht: „Das darf nicht mit dir geschehen!“ (Mt 16,22). Er möchte, dass der Herr dem Tod ausweicht, dass sich eine andere Lösung findet. Das entspricht genau dem allgemeinen Denken: Ja nicht mit dem Tod konfrontiert werden! Der Tod ist das große Tabu, das alle totschweigen, manchmal bis zum Sterbebett…
Wir haben gehört, wie schroff Jesus dem Petrus über den Mund fährt: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt 16, 23). – Du willst mich von meinem Weg, von meiner Bestimmung abbringen, die da heisst: durch den Tod zur Erlösung für die Vielen.
Wenn wir Jesus nachfolgen wollen, dann heisst das somit auch: dem Tod nicht ausweichen! Den Tod nicht – wie es heute üblich ist – permanent verdrängen, fliehen, bekämpfen. Sondern den Tod bewusst annehmen als Realität unseres Menschseins und als letzte und entscheidende Station unserer Christusnachfolge. Gerade darin sollte sich der gläubige Mensch auszeichnen, dass er dem Tod ruhig ins Gesicht schauen und seinen Frieden mit dem Tod machen kann; dass er sich sagen kann: >Ich werde einmal sterben. Und das ist auch gut so!< – Ist doch der Tod die Voraussetzung der Erlösung, des neuen und größeren Lebens bei Gott, das wir erhoffen.
„Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben“, sagt der Apostel Paulus (2 Tim 2,11).
Diesen Weg geht der Jünger Jesu und aus dieser Hoffnung lebt er. Der große katholische Schriftsteller Reinhold Schneider sagt es in einem Gedicht so:
„Wer Christi Tod erlitten, wird mit ihm auferstehen.
Wo er hindurchgeschritten, da wage ich’s zu gehen“.
Amen