Das Gleichnis vom verlorenen Sohn

Predigt zum 4. Fastensonntag C (Lk 15, 11-32)

Das „Gleichnis vom verlorenen Sohn“  spricht für sich selbst. Man braucht da nicht mehr viel erklären.Es ist die vielleicht schönste und ergreifendste Erzählung Jesu im Evangelium.Zu einer guten Geschichte gehört, dass sich die Hörer mit den handelnden Personen identifizieren können.Und so können wir auch hier fragen: Mit welcher der drei Hauptpersonen identifiziere ich mich?

Für manche ist es vielleicht der Vater, in dem sie sich wiedererkennen. Der muss  hinnehmen, dass sein jüngster Sohn ihn verlässt, ihm den Rücken zukehrt, nichts mehr von ihm wissen will, alle Verbindungen kappt.
Und der Vater kann nichts tun. Er kann nur warten, sich sorgen, hoffen.
Wie vielen Eltern geht es heute so mit  „verlorenen Söhnen und Töchtern“?
Der ältere Sohn: Sein Leben lang hat er seine Pflicht erfüllt, gearbeitet, sich keine Eskapaden geleistet: Viele können sich vielleicht am meisten mit ihm identifizieren und auch mit seinem Ärger:  Der Bruder führt ein Lotterleben, doch kaum taucht er wieder auf, veranstaltet der Vater ein Freudenfest.- Ist das nicht ungerecht?

Ob sich auch jemand in dem verlorenen Sohn wiedererkennen kann?
Dass er sagen kann: Ich war auch schon so, dass ich meinte, aus allem ausbrechen zu müssen. Ich hab mich auch schon davongemacht, allem den Rücken gekehrt – dabei vielleicht manchen verletzt – ich war auch schon sehr fern von Gott…
Und vielleicht hat jemand auch schon wie der verlorene Sohn so einen Absturz erlebt, wo es ganz nach unten ging. Aber im Nachhinein kann ich sagen: Diese Krise, dieser Zusammenbruch war nötig, damit mir die Augen aufgingen, damit ich mich verändern konnte, meinem Leben endlich eine neue Richtung geben konnte.

Liebe Gemeinde, man hat das Gleichnis vom verlorenen Sohn schon „das Evangelium im Evangelium“ genannt: die erzählerische Verdichtung der Heilsbotschaft.
Der Vater steht für Gott. Jesus sagt uns. Gott ist unser aller himmlischer Vater. Und wir sind seine Kinder, seine geliebten Söhne und Töchter. – „Du bist mein geliebtes Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist dein“, das sagt Gott jedem von uns zu. Und diese Gewissheit darf die Basis und die Mitte unseres ganzen Lebens sein. Gott will, dass ich bei ihm daheim bin, in seinem Vaterhaus geborgen bin.
Zugleich aber hat Gott den Menschen frei geschaffen; frei, ja oder nein zu sagen. Und darum muss Gott es hinnehmen, wenn Menschen „nein“ sagen, sich von ihm abkehren, weg von ihm gehen – in die scheinbare Freiheit – in Wirklichkeit ins Dunkle, in den Bereich des Todes hinein.(Wir denken an das Wort des Vaters: „Mein Sohn war tot“. – Der Mensch ohne Gott ist innerlich tot ,auch wenn er meint, dass er sich wunderbar auslebt…)
Gott muss das hinnehmen, aber er lässt keinen aus dem Auge, er vergisst keines seiner Kinder und er  wartet auf die Umkehr, auf die Heimkehr eines jeden.
Und mit Gott sollen auch wir warten und hoffen. Wie viele verlorene Söhne und Töchter Gottes gibt es heute. Ich bin sicher, jedem fallen da spontan Namen aus der Bekanntschaft oder Verwandtschaft ein. Gewiss machen Sie sich darüber auch manchmal Gedanken. Das ist wichtig. Und wichtig ist das Gebet. Auch und gerade in der Messe, wo der Bund mit Gott in Jesu Blut erneuert wird. Da sollten wir alle einschließen, die sich von Gott entfernt haben. Im dritten eucharistischen Hochgebet wird das ausdrücklich formuliert: „Führe zu dir auch alle deine Söhne und Töchter, die noch fern sind von dir!“  Da kann jeder im Geist seine Namen nennen.

Umkehr zu Gott und zu seinem Gebot der Liebe haben wir alle immer wieder nötig. Auch die, die wie der ältere Sohn ein wenig an Selbstgerechtigkeit und Undankbarkeit kranken. Der Apostel Paulus mahnt uns in der heutigen Lesung eindringlich: „Wir bitten euch an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20)
Wie geschieht das?
Eine Möglichkeit lernen zur Zeit die Kommunionkinder unserer Gemeinden kennen: das Sakrament der Vergebung und Versöhnung, die Beichte. Ob das nur die Kinder nötig haben?
Gewiss, man scheut die Beichte, weil es unangenehm ist, weil man sich überwinden muss. Nun, überwinden musste sich auch der verlorene Sohn, und Mut brauchte er, um sich nach allem, was passiert war, dem Vater zu stellen und um Vergebung zu bitten. Aber es hat sich für ihn gelohnt. Denn da kamen keine Vorwürfe, da ging kein Donnerwetter über ihm nieder, sondern da wurde er in Freuden angenommen.
Wer den Mut hat, sich mit Gott  versöhnen zu lassen, wer seinen Stolz überwindet und seine Selbstgerechtigkeit (also sozusagen: den älteren Sohn in sich), der wird es nicht bereuen. Ja, der wird vielleicht etwas sehr Kostbares finden: Den Frieden mit Gott, die  Gewissheit, ich bin wieder daheim – und ich kann neu anfangen.

AMEN