Brot – Leben – Glaube

Predigt zum 18. Sonntag im Jahreskreis B (Joh 6,24-35)

Um drei Worte kreist das heutige Evangelium, drei zentrale Begriffe, die – besonders im Johannesevangelium – immer wieder begegnen – wie Leitmotive – und  symbolisch den Inhalt des Evangeliums zusammenfassen:
Brot – Leben – Glaube.

„Ihr sucht mich, weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid“ (Joh  6,26). Christus spielt hier  auf die Wunderbare Brotvermehrung an, als er mit fünf Broten und zwei Fischen, die sich unter seinen Händen vervielfachten, die Fünftausend gespeist  hat.
Brot: Das ist der Inbegriff der Nahrung; das tägliche Brot, das der Mensch zum Leben braucht. Gott hat den Menschen geschaffen als ein nahrungsbedürftiges Wesen. Jeder Mensch hat jeden Tag Hunger und Durst, und jeder Mensch ist jeden Tag aufs Neue darauf angewiesen, dass er etwas zum Essen und zum Trinken bekommt. Man kann das als etwas Selbstverständliches hinnehmen. Man kann darüber aber auch einmal philosophisch nachdenken und den tieferen Sinngehalt ermitteln:
Der Mensch ist von Natur aus, das heißt von Schöpfung wegen ein bedürftiges und abhängiges Lebewesen. Er kann nur existieren, wenn er Nahrung und Flüssigkeit bekommt – und zwar regelmäßig und oft. – Ein einfacher primitiver Stein ist da dem Menschen überlegen.
Der Mensch ist ein „Mängelwesen“. Keiner kann für sich allein existieren, ohne Verbindung zur Außenwelt; sondern jeder ist auf die anderen und auf die Gaben der Natur angewiesen – und letztlich auf Gott, den  Schöpfer, damit er sein tägliches Brot bekommt.
 „In jedem Brot ist die Gnade Gottes“, pflegte der hl. Bruder Klaus, der Einsiedler in Flüeli in der Schweiz, zu sagen. In jedem Brot, in jedem Essen, das wir zu uns nehmen, zeigt sich, dass wir Beschenkte sind, dass wir von der Liebe Gottes – vermittelt durch die Gaben der Natur – und von der Arbeit anderer Menschen leben.
Vielleicht sollten wir uns das einmal neu bewusst machen, zum Beispiel wenn wir  uns heute an den Mittagstisch setzen und das Essen aufgetragen wird.

Das Leitbild „Brot“ geht im Evangelium über in ein größeres Bild: in das Motiv „Leben“, bzw. „ewiges Leben“, „Leben in Fülle“.
Der Mensch hat nicht nur Hunger nach Brot  und Durst nach Wasser – er hat noch einen viel tieferen und existentielleren Hunger und Durst nach  Leben – und zwar nach Leben in Fülle.
Leben, das heißt mehr, als bloß am Leben sein, sein Leben fristen, sondern leben  heißt: Freude, Erfüllung, Sinn, Liebe, Freiheit und Geborgenheit erleben. Der Mensch lebt eben nicht vom Brot allein. Es genügt nicht, den Bauch voll zu haben und im Wohlstand zu leben. Das zeigt sich in unserer Wohlstandsgesellschaft, wo so viele innerlich leer und unzufrieden sind, keinen Sinn mehr im Leben sehen.
In Deutschland begehen Jahr für Jahr zwischen elf – und zwölftausend Menschen Selbstmord.
Täglich nehmen sich dreißig Menschen in unserem Land das Leben. Da muss man sich fragen: Woher kommt das? Was fehlt den Menschen, dass sie so am Leben verzweifeln, so lebensmüde sind?

Was dem Menschen fehlt, damit er das wirkliche, das erfüllte  Leben hat, darauf antwortet der Glaube.
„Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nie mehr  hungern und wer an mich glaubt wird nie mehr Durst haben“ (Joh 6,35). – Mit anderen Worten: Was für unseren Leib das tägliche Brot ist, das ist für unsere Seele Jesus Christus, die Verbindung mit Christus durch den Glauben. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“, sagt der Herr an anderer Stelle (Joh 10,10). Und am Schluss des Johannesevangeliums heißt es:  „Diese Worte sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen“ (Joh 20,30-31).
Der Glaube ist unser wahres Lebenselixier. Ohne Glaube wären wir seelische Hungerleider, ganz arm dran, auch wenn es uns materiell an nichts fehlen würde.
Darum ist das Geschenk des Glaubens – und es ist ein Geschenk, ein „Werk Gottes“, dass wir glauben (Joh 6,29) – eine noch größere Gnade als das tägliche Brot. Auch das sollten wir uns neu bewusst machen und versuchen, dieses Geschenk des Glaubens mit anderen zu teilen.
Gerade unsere heutige Welt – ob sie es weiß oder nicht – hungert und dürstet nach Gott. Darum können wir unseren Mitmenschen keinen größeren Dienst erweisen, als wenn wir ihnen etwas von unserem Glauben abgeben. Wenn wir ihnen, soweit wir das können, helfen, die „Speise zu finden, die für das ewige Leben bleibt“ (Joh 6,27).

Amen.