Predigt zum 22. Sonntag im Jahreskreis (B)
Was macht den Menschen rein und was macht ihn unrein, diese Frage wird im heutigen Evangelium verhandelt.
Die Pharisäer wollten auf jeden Fall rein leben; das heißt richtig und gerecht vor Gott, um würdig befunden zu werden fürs Ewige Leben. – Und wie lebt man nun rein und richtig vor Gott?
Antwort der Pharisäer: Unter anderem dadurch, dass man sich kultisch reinhält, sich nicht befleckt durch unreine Speisen und Tiere, die die Überlieferung verbietet.
„Koscheres Essen“ ist im orthodoxen Judentum bis heute obligatorisch. Es gibt genaue Speisevorschriften, die nicht nur unreine (das heißt: nicht-koschere) Nahrungsmittel ausschließen (z.B. Schweinefleisch), sondern auch die ordnungsgemäße Zubereitung des Essens regeln.
Ganz anders das Verhalten der Jünger Jesu: Sie „aßen ihr Brot mit unreinen Händen“, also ohne die von der Überlieferung vorgeschriebene rituelle Waschung (Mk 7,2-3). Sie hatten anscheinend keine Angst, sich dadurch zu verunreinigen. Sie waren also – im Gegensatz zu den Schriftgelehrten und Pharisäern- unbekümmert in Bezug auf ihre Eßgewohnheiten.
Das hatten sie wohl von ihrem Meister mitbekommen, dass es aufs Essen und die Essgewohnheiten nicht ankommt.
Sicher, es kommt darauf an, dass man überhaupt etwas zu essen hat. – „Unser tägliches Brot gib uns heute“, so lehrt Jesus die Jünger beten. Aber das ist auch schon alles zum Thema Essen. Jede weitere Konzentration auf die Nahrung wäre schon zu viel.
Als er die Jünger aussendet, den Menschen das Evangelium zu predigen, sagt er ihnen: „Wenn ihr in ein Haus kommt: Eßt und trinkt, was man euch vorsetzt!“ (Lk 10,7) – Laßt alles Gezierte und Geschmäcklerische in puncto Essen.
Anders wird es bei den Pharisäern und Schriftgelehrten gewesen sein. Wenn die bei Leuten einkehrten, was mußte da für ein Aufwand getrieben werden, damit das Dargebotene akzeptabel, koscher und rein war.
Jesus dagegen erklärt rundweg alle Speisen für rein (Mk 7,19).
Liebe Gläubige, das ist eine ganz bedeutsame Lehre des Evangeliums und dazuhin eine hochaktuelle.
Kultische Reinheitsgesetze spielen bei uns keine Rolle; aber Speisevorschriften, die gibt es auch heute vielerorts. – Man nennt das nur anders. Man nennt das vielleicht Ernährungsbewusstsein, man nennt das dann natürliche, biologisch-dynamische, makrobiotische, vollwertige, ökologische,
vegane Ernährung und wie die Reinheitsetiketten alle heißen.
Viele Menschen verwenden viel Geld und Aufwand darauf, sich möglichst hochwertig zu ernähren. Und manche machen aus ihren spezialisierten Essgewohnheiten geradezu eine Heilslehre, eine Art Gesundheits-Religion.
Ich denke, hier haben wir die Korrektur durch das Evangelium nötig.
Durch reine Speise werdet ihr nicht gerettet, sagt Jesus. Denn die Speise betrifft nur den Leib, und der wird in jedem Fall über kurz oder lang vergehen.
Ob unsere Seele rein oder unrein ist, das ist entscheidend, das Innere, der innere Mensch ist bestimmt für die Ewigkeit.
Wie es also da drinnen aussieht, soll euch interessieren und nicht so sehr, was auf dem Teller ist.
Das müssen wir also wissen: Bei aller gebotenen Verantwortlichkeit im Umgang mit dem Essen, bei allem ökologischem Bewusstsein; – unsere Essgewohnheiten entscheiden nicht über unser Schicksal; das ist letztlich alles relativ und sekundär; auch der biologisch-dynamisch Ernährte rettet nicht sein Leben. Über unser Heil entscheidet unser Seelenzustand. – Die Frage, ob unsere Innenwelt rein oder aber verseucht und vergiftet ist.
Nicht nur die Umweltverschmutzung, vor allem die Innenweltverschmutzung ist die große Gefahr für die Menschen.
„Von innen, aus dem Herzen der Menschen kommt das Böse“, sagt der Herr und nennt dabei unter anderem die Schwelgerei. – Damit ist nicht nur maßloses Prassen gemeint, sondern auch das Feinschmeckertum, das übertriebene Kultivieren und Zelebrieren der Nahrungsaufnahme.
Eine solche Fixierung aufs Essen ist vom Bösen. Auch hier liegt wohl eine Gefährdung für uns Wohlstandsbürger: Wenn ich die Feinkostabteilungen in den Supermärkten sehe, die exquisiten Rezepte in den Illustrierten lese und überall neue Feinschmeckerlokale entdecke.
„Ihr Gott ist der Bauch“ – so brandmarkt Paulus einmal die Feinde Christi. (Phil 3,19).
So soll es beim Christen nicht sein. Bauch ist Bauch und nicht mehr. Ob dicker oder dünner, ob mit feinen oder einfachen Speisen gefüllt, das ist wirklich ohne Bedeutung.
Die Seele wird einmal auf die Waage steigen müssen – beim Gericht – und wird hoffentlich nicht für zu leicht befunden.
Gewöhnen wir uns also eine gesunde Unbekümmertheit und Einfachheit und Bescheidenheit in Essensdingen an, in allem, was mit dem Bauch zu tun hat. – Denken wir daran: Nicht nur vom Brot lebt der Mensch, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.
Das ist die Seelenspeise, die uns an Seele und Leib gesund macht.
Amen.