Predigt zum 33. Sonntag im Jahreskreis A (Mt 25, 14-30)
Wenn Menschen in eine Lebenskrise geraten, wenn ihnen ihr Leben plötzlich verleidet ist und sie dann ausbrechen möchten aus allem, dann gibt es dafür äußerlich oft gar keinen Grund.
Man steht sicher im Beruf, führt ein normales Familienleben, lebt im Wohlstand. – Und doch reicht das alles plötzlich nicht mehr. Weil das Gefühl da ist: Das kann doch nicht alles gewesen sein. Da muss es doch noch mehr geben, etwas Größeres. Etwas, was mein Leben wirklich erfüllt und wofür es sich wirklich zu leben lohnt.
Wenn Menschen aus dieser inneren Not heraus mit allem Bisherigen brechen, dann machen sie dabei oft viel kaputt. – Und dennoch, diese Empfindung: das kann doch nicht alles sein, die Sehnsucht nach dem Größeren ist berechtigt.
Wir sind tatsächlich nicht nur geschaffen für unsere kleine Alltagswelt, wir sind nicht geschaffen, um bloß als kleines Rädchen im großen Getriebe zu funktionieren.
Der Glaube sagt: Wir sind für Gott geschaffen, für sein Reich, seine unendliche Welt.
„Auf dich hin, Gott, hast du uns geschaffen und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Dir“, so sagt es der hl. Augustinus in seinem berühmten Lebensbericht, den „Bekenntnissen“.
Liebe Gläubige, wenn sich im Menschen die Unruhe zu Gott, zum umfassenden Sinn meines Lebens meldet, dann ist das im Grunde ein gesundes Empfinden. Denn, wie Papst Benedikt einmal sagt, „die Wirklichkeit ist nicht so klein, wie wir sie meist erleben, sondern so groß, wie wir sie ersehnen.“ Das Große gibt es wirklich! Aber es gibt es nur in Gott.
„Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, ihm in Treue und Liebe zu dienen und so zum ewigen Leben zu gelangen“, so lautet die Antwort auf die Frage im Katechismus: „Wozu sind wir auf Erden?“[1]
Wir sind berufen als Kinder Gottes in dieser Welt zu leben, ihn – unseren Schöpfer und Vater – zu erkennen, in dieser Erkenntnis im Laufe des Lebens zu wachsen und ihm zu dienen, an dem Ort, an den er uns gestellt hat. Und wenn es der bescheidenste und unscheinbarste Ort sein mag, und wenn es ein schwieriges, von Leid geprägtes Schicksal sein mag: Wenn ich mein Leben von Gott annehme und für ihn lebe – dann hat es Sinn und Bedeutung, ja Größe und Glanz und Ewigkeitswert.
Der Glaube, die lebendige Gottverbundenheit ist insofern die größte Gabe und Gnade. Das Talent, von dem Jesus im heutigen Evangelium spricht.
Diese Begabung des Glaubens sollen wir in uns entdecken. Das ist das Göttliche in uns, der göttliche Lebensfunke, das Lebenselixier. Und damit sollen wir arbeiten, daraus sollen wir etwas machen, das soll aufleuchten, ein helles Licht werden, damit es auch den anderen leuchtet.
Was der Herr gar nicht leiden kann ist, wenn jemand sein Talent des Glaubens vergräbt, im hintersten Winkel des Innenlebens versteckt, nach dem Motto: „Wie´s da drinnen aussieht, geht niemand was an …“
Und warum? Aus Angst gar noch! („Weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt“/ Mt 25,25). – Ja bloß nicht auffallen, ja bloß nicht aus der Reihe tanzen, immer schön angepasst bleiben und sich im großen Haufen mitschieben lassen. – „Ich würde ja schon zum Gottesdienst gehen, wenn auch die anderen gingen“, wie oft hört man solche und ähnliche Entschuldigungen. – Wieso die anderen? Es geht um dich! Geh doch DU mal mit gutem Beispiel voran! Damit würdest du deinem Herrn vielleicht eine besondere Freude machen und Zinsen sammeln auf der himmlischen Bank. Je größer der Einsatz, desto größer der Gewinn.
Der Herr sagt es uns im heutigen Evangelium sehr deutlich, was er von uns erwartet. Wir sollen aus dem Talent des Glaubens bzw. der Gotteskindschaft Kapital schlagen.
Wir sollen damit arbeiten und Frucht bringen in Gedanken, Worten und Werken.
In Gedanken, indem ich über Gott nachdenke, eine innere lebendige Beziehung mit ihm pflege, indem ich wachse in der Erkenntnis Gottes.
In Worten, indem ich den Glauben nicht totschweige, sondern zur Sprache bringe, Stellung beziehe, Farbe bekenne, werbe und einlade.
In Werken, indem ich lebe in der Nachfolge Jesu, mein Leben nach seiner Weisung ausrichte, indem ich Zeit und Kraft aufwende für die Sache Jesu, für Gott, für die Kirche.
Gewiss, das kostet heutzutage ein wenig Mut und auch das eine oder andere Opfer und vor allem Treue. Aber langweilig wird es mir so bestimmt nicht werden. Es ist spannend, aus allen Begegnungen und Ereignissen den Ruf Gottes herauszuhören. Da bekommt plötzlich auch das Alltägliche Größe. Und vor allem habe ich die sichere Hoffnung, dass mein Leben nicht ins Leere läuft, wenn ich die Glaubensgnade nicht gleichgültig oder ängstlich wegstelle, sondern sie groß werden lasse. Dann steht mein Leben unter der großen Verheißung, die der Herr uns heute zusagt: „Du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!“
Amen
[1] „Der Mensch ist erschaffen, um Gott zu erkennen, ihm zu dienen und ihn zu lieben, um…zum Leben mit Gott im Himmel erhoben zu werden“ (Katechismus der Katholischen Kirche Kompendium, Nr. 67).